Wie siehst Du Tierwohl – Zeit zum Handeln?

Foto von: Ramona Unger
Über das Thema „Tierwohl – Tiergesundheit“ wird sehr viel diskutiert. Viele Meinungen, Blickwinkel, Interessen und Ansichten prallen hier aufeinander. Letztendlich ist dieses komplexe Thema eine gesellschaftliche Aufgabe, die so gelöst werden sollte, dass fast alle damit zufrieden sind. Eine 100%-ige Übereinstimmung aller Bedenkenträger wird es hier nie geben, weil der Handel, die Landwirte, das Fleischerhandwerk, die Fleischindustrie, der Verbraucher, der weltweite Handel und der Gesetzgeber unterschiedliche Interessen haben. Leider können uns hier die Tiere – um denen es eigentlich in erster Linie geht – keine Auskunft geben.

Natürlich versuche ich mich auch darüber zu Informieren. Wir kaufen unsere Waren dazu sehr bewusst ein. Eigentlich wollte ich dazu eine Interviewserie starten, mit Persönlichkeiten aus den Verbänden, der Industrie, dem Handel und mit Kollegen. Meine Region ist bundesweit wegen der enormen Viehdichte bekannt und hat dazu viele Interviewpartner. Bei der Erstellung der Fragen wurde mir aber deutlich, dass man ein so umfassendes Thema nie mit ein paar Fragen beantworten kann. Tierwohl ist heute ein zentrales Thema, das vom Kunden zurecht eingefordert wird. Hier beginnt aus meiner Sicht schon die Diskrepanz, weil Fleisch immer noch als „Lockmittel“ auf den Angebotsflyern zieht. Wer billig verkaufen möchte, muss auch entsprechend günstig einkaufen. Das geht dann über Menge, Schnelligkeit, günstige Lohnkosten und viele weitere Stellschrauben. Viele Parameter kommen immer wieder beim Tier an. Tierwohl rückt dann leicht in die zweite Reihe, weil wirtschaftliche Interessen in der ganzen Schöpfungskette zu bestimmend sind.
Foto von: Pascal Sasse
Ich finde, dass hier das Bezahlsystem an die Landwirte eine Veränderung bringen könnte. Faktoren wie Stallanlage (Tieranzahl im Stall, Lüftung, Licht, Stroh) Freilauf, der Einsatz von Medikamente, usw. sollten bei der Bezahlung der Tiere mit berücksichtig werden. (Anmerkung: Warum kann der Landwirt eigentlich nicht seinen Verkaufspreis selber bestimmen, statt dessen bekommt er einen Preis vorgesetzt?)  Das sich „Mehrarbeit“ auch auf einen „Mehrpreis“ ausschlägt, ist logisch und nachvollziehbar. Wenn aber der Landwirt durch ein anderes Bezahlsystem mehr verdient, kann das Tierwohl viel schneller umgesetzt werden.

Nur der Verbraucher hat hier die Macht durch sein Einkaufsverhalten eine Marktveränderung herbeizuführen. Diese „Macht“ wird jedoch immer wieder mit „Billigpreisen“ entmachtet – und der Lebensmittelhandel schafft dazu immer wieder Verlockungen. Diese Entwicklung ist nur schwer zu durchbrechen.

Sehr positive Konzepte schaffen hier aber eine langsame und ich hoffe langfristige Veränderung. So begrüße ich den Meinungswandel des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zur Haltungskennzeichnung bei Tieren. (Ähnlich wie bei den Eiern) Es gibt aber auch sehr gute Ansätze wie den „Aktivstall für Schweine“ den „Privathof von Wiesenhof“, Artgerechte Schweinhaltung (Kontaktaufbau zu Züchtern von Schweinen, Facebook), Freilandhaltung wie z.B. auf dem Adrianenhof und viele Tierhaltungen in kleinsten Einheiten. Aber auch Interessensverbände versuchen hier den Dialog zwischen der Landwirtschaft, der Gesellschaft, Handel und Kunden aufzubauen. Exemplarisch möchte ich hier die „AEF-OM“, Initiative Tierwohl und den Tierschutzbund benennen.

Es gibt hier sehr viel Menschen, die eine außergewöhnliche Haltungsform für mehr Tierwohl bieten. Ich kenne leider nicht so viele. Bestimmt gibt es aber unter den Lesern einige, die über besondere Landwirte berichten möchten. Im Kommentarfeld ist dafür geöffnet.

Mir geht es in diesem Beitrag darum, dass wir Verbraucher (zu denen ich auch gehörte) mit dem Tierwohl nicht weiterkommen, wenn wir uns gegenseitig mit Vorwürfen, Schuldzuweisungen oder sogar kriminelle Handlungen blockieren. Vielmehr sollten wir sachlich bleiben und bereit dafür sein, für ein faires Lebensmittel (Mittel-zum-Leben) auch einen guten Preis zu zahlen – und der muss höher liegen aus auf den heutigen Level. Die Gesundheit der Tiere – und folglich daraus auch unsere eigene Gesundheit (!!!)- wird es uns danken.
Meine Fragen:
Wie ist Deine Meinung dazu?
Kennst du tolle Betriebe mit bemerkswerten Haltungsformen?
Was ist Dir der Tierschutz wirklich wert? (an der Ladentheke)

4 Reaktionen zu “Wie siehst Du Tierwohl – Zeit zum Handeln?”

  1. Henning Kluß

    Ich denke, jeder kann etwas für das Tierwohl selber machen, in dem es seine Ernährung und den Kaufverhalten dem Tierwohl anpasst. Warum müssen im Supermarkt oder Discounter 5 Schnitzel, eingeschweißt in Plastik gekauft werden? Vor allem, wenn man vielleicht nur 3 oder 4 Stück braucht. Bei Supermarkt sehe ich nur das oberste Schnitzel, Beim Fleischer kann ich mir jedes einzelne aussuchen! Beim Fleischer, sofern er regional einkauft, weiß woher das Tier kommt, woraus die Schnitzel sind und die Wurst gemacht macht wird. Das eingeschweißte Schnitzel ist anonym und womöglich schon quer durch Deutschland und Europa gefahren. Was ja auch nicht gerade der Umwelt dient. Ein Tierwohl-Label helft nur den Discounter-Ketten, um unter einem Vorwand mehr Geld nehmen zu können, obwohl sich unterm Strich wenig bis garnis ändert. Die Erfahrung haben wir ja schon beim Bio-Sigel gemacht.

  2. Stephan Hartz

    Es ist erfreulich, wenn sich jemand, der sich beruflich mit dem Thema Fleischerzeugung befasst, sein Handeln reflektiert.
    Aber, es gibt einige grundlegende Gedanken, die leider nur sehr selten auftauchen.
    Der Begriff Tierwohl ist an sich schon einigermassen absurd. Ich würde mal vermuten, daß es den Tieren am wohlsten geht, wenn sie gar nicht erst “erzeugt” werden, mit dem Ziel möglichst profitabel geschlachtet zu werden. Ebenso absurd ist es, Futtermittel aus Schwellenländern zu importieren, hier zu verfüttern, die Tiere von Osteuropäern schlachten zu lassen und das Fleisch zu exportieren. Was hierbleibt, sind Gülle (oder Wirtschaftsdünger wie das heute heisst), prekäre Arbeitsverhältnisse und Landwirte am Rande des Existenzminimums. Außerdem noch multiresistente Keime durch Antibiotikaeinsatz und Berge an Tieren, die bei Aufzucht und Mast verlustig gegangen sind.
    Nur mal so als Zahl: wenn Wiesenhof in Lohne 250.000 Tiere pro Tag schlachtet fallen pro Tag mehr als 300 Tonnen Hühnerscheisse an. Jeden Tag.

    Erstaunlicherweise hält sich hartnäckig das Gerücht, daß man Fleisch zum Leben bräuchte. Das dem nicht so ist, kann man überall nachlesen. Auch für die Welternährung wäre es sicher sinnvoller, die Kalorien direkt zu sich zu nehmen, als die Pflanzenkalorien durch Tiermast zu reduzieren.
    Das einzige wirkliche Argument FÜR den Konsum von Fleisch ist, daß es dem einen oder anderen gut schmeckt. Da muss man dann halt abwägen, ob man das mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Ich kann es nicht.
    Ich würde mich freuen, wenn “der” hiesige Landwirt auf seinen Feldern kein Tierfutter mehr anbaut, sondern Menschenfutter, also etwas für mich. Ich würde mich freuen, wenn der Schlachter in Zukunft nicht bis zum Knie in Blut und Gedärm stehen muss, sondern die Pflanzen in eine genussfertige Form bringt, ohne dass sie vorher durch einen Tiermagen muss. Ich würde mich freuen, wenn das Vogelgezwitscher im Frühling nicht von dem Geruch nach Tierexkrementen begleitet wird. Vielleicht klappts ja…

  3. Stephan Hartz

    Sorry, Rechenfehler, es fallen nur 200 Tonnen Hühnerkot pro Tag an.

  4. Angelshop

    Ähnlich ist es beim Angeln. Momentan wird von vielen das Angeln bemängelt, weil der Fisch zu große Schmerzen erleidet. Aber es macht trotzdem einen Unterschied, ob ich meinen Fisch als Fischstäbchen kaufe und nicht weiß wie der Fisch gefangen wurde. Beim Angeln erfährt der Fisch zwar einen Schmerz, aber der Fisch verarbeitet diese Schmerzreize anders als wir es vermuten. Deswegen gehe ich lieber zum Angeln und kaufe auch mein Fleisch da wo ich weiß, dass die Tiere keine großen Schmerzen erleiden.

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