Nur Hygienemängel oder doch kriminelle Energie?

Foto: Hygiene muss gelbt werden!

In jüngster Zeit mehren sich die Listerienfunde in Fleischwarenfabriken. Der Fall in Hessen forderte sogar Todesopfer. Ein weiterer Fall in unserer Nachbargemeinde Goldenstedt macht nun negative Schlagzeilen. Hier wurden Listerien in gebratene Frikadellen gefunden. Der Betrieb wurde geschlossen, wie auch das Stammwerk in Essen/Oldenburg. Die Staatsanwaltschaft stellt Strafanzeige. Der Betrieb stand unter Beobachtung, weil es in der Vergangenheit schon Verstöße gegen die Hygienevorschriften gab.

Listerien sind meldepflichtig und keine harmlose Sache. Geschwächte Menschen oder bei Schwangeren kann der Verlauf erhebliche gesundheitliche Folgen bis hin zum Tod haben. Durch die zunehmende industrielle Produktion von Lebensmitteln mit ihren vielen Zwischenstufen erhöhen sich die Kontaminationsmöglichkeiten. Kommen dann noch Hygienemängel im Betrieb dazu, kann es schnell zu Problemen kommen. Wird ein Betrieb über Wochen wegen solcher Vorfälle geschlossen, ist das wirtschaftliche Überleben meistens besiegelt (wenn nicht ein großer Konzern hinter der Firma steht).

Ich stelle mir oft die Fragen, warum verantwortliche Geschäftsführer/Betriebsleiter nicht massiv gegen hygienische Missstände im Betrieb vorgehen? Jetzt kann man natürlich nach dem Gesetzgeber und der Aufsichtsbehörde rufen, aber wenn eine Art kriminelle Energie im Betrieb steckt, nutzen auch die Parameter wenig, weil sich oft hintergangen und getäuscht werden.
Ich versuche einmal etwas hinter die Kulissen zu blicken, um aus meiner Sicht deutlich zu machen, woran so gravierende hygienische Mängel entstehen können. Es soll nicht als Entschuldigung gesehen werden – im Gegenteil. Ich möchte einfach ein paar Punkte aufdecken, die auch Ursache sein könnten.

Personal – Ich sage immer: „Hygiene kann nicht vom Gesetz befohlen werden – Hygiene muss gelebt werden! Jeden Tag! Immer wieder!“ Für mich ist die größte Stellschraube das Personal. Es wird immer weniger Fachpersonal eingestellt, weil es keine mehr gibt! Dann kommen Hilfskräfte, ungelernte Helfer zum Einsatz. Viele kommen aus Osteuropa und sprechen oder verstehen unsere Sprache nicht. Anweisungen und Erklärungen werden aus zeitlichen Gründen nur halbherzig durchgeführt, mit dem Ergebnis das Fehler und Fehlproduktionen passieren. Ich kenne die Problematik aus Erzählungen von Kollegen, die in solchen Fabriken arbeiten.

Eine weitere Lustlosigkeit für das Personal entsteht durch die mangelhafte Wohnsituationen der Arbeiter aus Osteuropa. Es gibt kaum eine Privatsphäre und man hockt auf engsten Raum zusammen. Das solche Mitarbeiter ihren Frust mit in den Betrieb nehmen ist klar. Die Motivation wird durch viele Gemeinheiten (Benutzung des Pausenraums wird vom Lohn abgezogen, usw.) weiter demotiviert.

Kostendruck – Die Produkte werden meistens in Discountern und Supermarktketten angeboten. Hier entscheidet der Preis, ob man liefern darf oder nicht. Logisch, dass dann alles darangesetzt wird, wie ich ein Produkt billiger, schneller und mehr herstellen kann. Auch hier kann ich sagen, dass nicht alles was an Fleisch eingekauft wird, immer noch 100%-genusstauglich ist. Einige Mitarbeiter wissen das auch, aber unter dem Mantel des Drucks, Stress und Gleichgültigkeit werden Augen zugedrückt. Die Personalkosten und der Wareneinkauf sind die Schrauben, die es ermöglichen ein Produkt im Discounter zu listen. Natürlich gibt es Qualitätskontrollen und Laboruntersuchungen der Waren. Gute Betriebe sind dabei auch nicht auffällig, aber wo die „Luft“ dünner wird, wird auch die Eigenkontrolle ein Stück der manipulierten Qualität.

Hygiene – Hygiene kostet Zeit und Geld! Wenn dann die Betriebe noch Mehrschichtig fahren, wird es immer schwieriger eine perfekte Reinigung zu schaffen. Es ist meistens ein Prozess, der sich einschleicht und immer weiter zunimmt. Als ich die Bilder mit der verschimmelten Wurst aus dem hessischen Wurstbetrieb gesehen habe, war ich doch sehr verwundert. So eine Entwicklung entsteht nicht über Nacht. (ich habe mich nur gewundert, wie solche Bilder aus dem Unternehmen in die Presse gekommen sind). Hat ein Lebensmittelunternehmen hygienische Probleme, müssen die Behörden konsequent durchgreifen und die Geschäftsführung muss das auch sofort umsetzen. Für mich eine Selbstverständlichkeit – es gibt aber auch Geschäftsleitungen, die das erst einmal aussitzen und die Zeit laufen lassen. Auch so können langfristig Probleme entstehen.

Wie gesagt, ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich auf die Seite der „Schmuddel- Betriebe“ stelle. Ich möchte vielmehr deutlich machen, welche fatale Entwicklung unsere Lebensmittelherstellung genommen hat. Ich bin mir sicher, dass es in Zukunft viele weitere Rückrufaktionen geben wird, weil man hinter dem Genussmittel keine Wertigkeit mehr sieht.

Hinweis: Kommentar verfassen – Achtung das System speichert Namen und IP-Adresse.

Einen Kommentar schreiben