Knallgrau bis Verkehrsrot

  Foto:  Zwei Stücke Rindfleisch. Links eine Rinderhüfte  frisch zugeschnitten und nicht begast – rechts eine Stück Roastbeef, dass ich einige Tage in der Kühltheke hatte. (auch nicht begast)

Aufgrund der Aktion von Foodwatch „Außen rosig-frisch innen zäh und ranzig“ und des Berichts von Spiegel online (2.August 2010) hat meine Lokalzeitung heute ebenfalls einen Beitrag zu dem Thema verfasst.
Es geht um die Begasung von Frischfleisch in „Schutzatmosphäre“-Packungen (was für ein gelungenes Wort!) die dem Verbraucher optisch frisches Fleisch „vortäuscht“. Ich schreibe „vortäuscht“ bewusst in Gänsefüßchen, weil ich nicht unterstellen möchte, dass dieses Fleisch in den Regalen der Discounter und Märkte nicht frisch ist.

Fleisch in den Kühlregalen der Selbstbedienungstheken liegt dort schon geschnitten und portioniert. Diese luftdichten Plastikschalen werden mit einem speziellen Gasgemisch gefüllt, das die rosige Farbe des Fleisches über Tage erhalten bleibt. Der hochgradig angereichte Sauerstoff sorgt dafür, dass der Muskelfarbstoff Myoglobin über Tage unverändert bleibt. Lagere ich herkömmliches Fleisch (Theke, Kühlraum etc.) wird es vom natürlichen Sauerstoff nach einigen Tagen dunkel. Besonders bei Rindfleisch passiert das schnell und intensiv. Das Fleisch ist nicht schlecht, sondern sieht nur dunkel aus. Der Kunde mag diese Optik nicht und kauft darum das Fleisch nicht. Kenner schätzen jedoch z.B. dunkles Rindfleisch, weil sie fast sicher sein können, dass dieses Fleisch abgehangen ist.
Verpacke ich das Fleisch in dieser „Modifield Atmosphere Packung“ mit einem hohen Sauerstoffanteil (High O2-MAP), so bleibt es rot. Der Kunde kann also nicht altes und frisches Fleisch unterscheiden, weil alles gleich aussieht. Aus meiner Sicht ist das eine Täuschung, weil ich durch eine technische Behandlung des Fleisches eine „Frische-Illusion“ vortäusche.

Auf dem Foto oben habe ich ein Roastbeef (dunkel) dass ich schon einige Tage offen liegen hatte. Die Luft hat es gräulich-braun gefärbt. Das Stück ist butterzart und voll genusstauglich. Der Kunde wird aber fast zu 100% das Hüftsteak daneben kaufen, weil es schön rot leuchtet. wir müssen uns also nicht von der Optik immer täuschen lassen, denn unsere Sinnesorgane (riechen, schmecken, fühlen, sehen…) sind die besten Parameter für unser Wohlergehen.

Warum wird das von den Discountern und Märkten gemacht? Sie sparen durch die SB-Verpackung von Fleisch und Wurst erheblich an Fachpersonal, weil jeder Kunde sich selber bedient. 2. Kann das Fleisch zentral irgendwo in Deutschland (oder Ausland?) gepackt werden und wird gekühlt zu den Märkten gefahren (wo es auch noch einige Tage liegen kann)

Foodwatch kritisiert ebenfalls eine gesundheitlich negative Auswirkung für den Menschen. Zu diesem Thema kann ich aber nichts schreiben, weil ich das fachlich nicht beurteilen kann.

Vielleicht ist die Begasung von Fleisch auch zu technisch und zu fachlich für ein Firmenblog. Ich habe aber erheblich bedenken, wenn z.B. Hackfleisch nach sieben Tagen (!!!) immer noch „frisch“ aussieht, weil es begast worden ist. Diese „tickende Zeitbombe“ die für den Menschen schon gefährlich werden kann. (Salmonellen). Wenn ich am Abend Hackfleisch nicht verkauft habe, kann ich am morgen schon gräuliche Stellen erkennen. Das Fleisch verkaufe ich schon nicht mehr.

Ich hoffe, dass ich Sie nicht ganz verwirrt habe. Mein Ansatz war der heutige Zeitungsbericht und meine persönliche Meinung zu dem „tagelangen-superroten-frischeaussehenen-Fleisch“

14 Reaktionen zu “Knallgrau bis Verkehrsrot”

  1. sven

    Interessant zu lesen, vielen Dank.

    Eine Frage dazu: Du schreibst in den Packungen wäre ein hoher Sauerstoffanteil. Müsste nicht der Sauerstoffanteil möglichst gering sein, wenn der Sauerstoff die Verfärbung verursacht?

    Zusätzlich zum Farberhalt müsste die Athmosphäre in der Verpackung aber doch auch eventuelle Verderbensprozesse verlangsamen, zumindest wenn in der Fabrik sauber gearbeitet wird sollte die Mikroorganismenbelastung niedriger sein, und die verbliebenen brauchen doch auch Sauerstoff zum arbeiten, tun dort also weniger, oder?

  2. sven

    Ein Gedanke, der mir nach dem abschicken erst kam: In eine ähnliche Kategorie fällt dann doch auch das Licht mit hohem Rotanteil, das zumindest alle mir bekannten Fleischer in ihren Bedientheken haben. Damit wirkt das Fleisch auch röter und damit “frischer”. Hat natürlich keine gesundheitlichen Auswirkungen, dafür kommt die Enttäuschung beim auspacken zuhause sofort. Ist das nicht auch eine Art der Täuschung?

  3. Stefan

    Muss da auch noch einhacken, ich habe den Artikel auch gelesen und war doch verwirrt von Sauerstoff in den Packungen zu lesen.
    Meines Wissens wird doch mit Stickstoff oder Kohlendioxid begast!
    Hat sich da evtl. bei den Großen ein Fehler eingeschlichen, oder habe ich was verpasst.
    Schließlich oxidiert das Myoglobin bei Kontakt mit Sauerstoff und wird blass und grau?
    Ich bin etwas ratlos.

  4. Ludger

    @Sven,
    ich bin nicht der “Begasungsfachmann” weil ich in meinem Betrieb eine solche Technik nicht einsetze.
    Von einem mit bekannten Betrieb weiß ich aber, dass Fleisch mit sehr viel Druck gegast wird. So werden sogar “Druckstellen” (wenn unverpacktes Fleisch übereinander liegt) nicht gräulich. Durch das Gas bleibt der natürliche Muskelfarbstoff (Myoglobin) rot.
    “Die Gasbehandlung unterdrückt die Keimflora..!” – so steht es zu lesen. Ich glaube das sogar, weil wirklich unglaublich viele Lebensmittel (Pommes, Wurst, Salate…etc.) mit Gas schutzverpackt werden.

    Zum Licht: Wenn ich unter dem schönsten und tollsten Licht Ware verkaufen würde, die zu Hause nicht die Erwartungen entspricht, hätte ich bestimmt ein Problem. Unser Licht hat zwar einen anderen Ton, aber Lichtfarben in Geschäfträumen (Restaurant, Autohaus, Textil, Schmuck, etc.) ist eh eine Wissenschaft für sich.

  5. Ludger

    @Stefan,
    ich habe mich gerade einen Kollegen gefragt, der damit arbeitet. Er erzählte mir, dass er das Fleisch mit Sauerstoff unter Überdruck (50bar?) behandelt. Danach ist das Muskelfarbstoff sehr stabil und bleibt sehr lange rot. Begasung von Fleisch

  6. Inga Dragic Oltersdorf

    Sehr interessant. Da werde ich künftig mal besser drauf schauen. Im Supermarkt greife ich schon eben mal so in das Regal, wo alles so schön rosig glänzt. Hier in Frankreich sogar eher, weil hier Fleisch noch teurer ist als in Deutschland. Am Besten selbst schlachten und verwerten, oder zubereiten, dass es länger haltbar ist, ohne Plastik und Begasung!
    Danke für das Wissen, da lerne ich für den Alltag.

  7. Ludger

    @Inga,
    in Frankreich ist die “Esskultur” noch viel, viel höher angesehen, als in Deutschland. Dort sind die Menschen auch bereit, für Gutes etwas mehr zu zahlen. Danke für Deinen Beitrag.

  8. Inga Dragic Oltersdorf

    @ Ludger
    Stimmt schon, dass die Esskultur hier höher angesehen wird. Doch wenn ich mir so manches Mal ansehe, wie und in welcher Art hier Tiere verkauft werden. Oh man, da kriege ich eine Gänsehaut. Ob die Deutschen mehr Fleisch essen oder die Franzosen? Weil hier wird schon unmengen vertilgt, habe ich das Gefühl.

  9. Dirk Ludwig

    Sinnesphysiologie des Menschen – Sensorisch erfassbare Produktmerkmale

    Wichtigstes Sinnesorgan des Menschen sind die Augen, die für etwa 70 Prozent der täglichen Wahrnehmungen verantwortlich sind. Der Gesichtsinn ist ein visueller Sinn, ein Fernsinn. Er nimmt eine primäre Stellung bei der Beurteilung eines Lebensmittels und somit beim Aufbau einer Produkterwartung ein, denn die mit den Augen erfassten Sinnswahrnehmungen erfolgen noch vor der Erfassung von Geruch und Geschmack. Darüber hinaus sind ca. 50-60% des Gehirns mit der Verarbeitung von visuellen Eindrücken beschäftigt. Die Augen nehmen Farbe (Farbton, Helligkeit, Farbsättigung und Intensität), form, Größe und Struktur von Lebensmitteln wahr. Sie verschaffen sich den ersten, oft entscheidenden Eindruck über die Qualität und Genusstauglichkeit eines Lebensmittels, meist noch bevor andere Sinne in Aktion treten. Kräftige Farben signalisieren wertvolle Zutaten und Frische, blasse Farben verleiten zur Abwertung und lösen im Gehirn eine automatische Ablehnung aus. Der Gesichtssinn ist damit auch ein Warnsystem, denn er schützt vor dem Verzehr von verdorbenen Lebensmitteln…

    Durch die Verknüpfung des Gesehenen mit Erfahrungen und Gefühlen wird das Lebensmittel erkannt, und die Entscheidung hinsichtlich des Lebensmittelverzehrs getroffen….

    Quelle: DLG Arbeitsblätter Sensorik 01/2009

  10. Ludger

    @Dirk,
    eine schöne Erklärung der DLG, die zeigt, welche Merkmale für Lebensmittel entscheident sind. Das werden die Damen und Herren im Einkauf der “Großen” auch wissen und entsprechend die Podukte behandeln. Danke dafür.

  11. URS

    Inga schrib: “Doch wenn ich mir so manches Mal ansehe, wie und in welcher Art hier Tiere verkauft werden. Oh man, da kriege ich eine Gänsehaut.”

    Wenn ich Fleisch essen möchte, brauche ich ein totes Tier dafür.
    Ob es nun vom Landmetzger, vom homöopatisch ausgebildeten Feng-Shui-Schlachter oder als eines von sieben pro Sekunde in der industriellen Schnellschlachterei ist — das Endergebnis ist das selbe.
    Und da sind mir die französichen Verhältnisse lieber als die industrielle Schalchtung — man sieht das Tier, es hatte vorher was vom Leben und ist nicht so etwas wie die schreckhaften Schweine, die beim Erschrecken mit Herzinfakt umfallen.
    Natürlich macht diese Behandlung das Tier und somit auch das Fleisch teurer, aber das ist es mir wert — Ludger vergleicht ja zur Zeit auch die Kilopreise von Tier und Alltagsgegenständen und findet, dass Fleisch in Deutschland recht billig ist.

  12. Inga Dragic Oltersdorf

    @URS
    So gut kenn ich mich da nun auch nicht aus. DOch wenn ich hier in Frankreich auf den Wochenmarkt gehe, in die Halle für den Tierverkauf, das war schon neu für mich: eng zusammengeferchte Tiere, die in endlosen Massen verkauft werden. Lebendig verkauft, frischer gehts wohl nicht. Aber es stimmt, getötet wird es so und so. Beim Schlachten möchte ich gern mal dabei sein, dann sehe ich das alles sicher etwas anders.

  13. Lino

    Die SB-Hersteller haben einen entscheidenden Nachteil gegenüber dem Fleischer: Von der Zerlegung und Verpackung bis zur Supermarkttheke vergeht mindestens ein Tag. Ohne die Begasung sähe das Fleisch vermutlich schon nicht mehr so richtig Frisch aus wenn es im Laden ankommt.
    Nicht dass ich SB-Fleisch begrüßen würde, ganz im Gegenteil. Ich behaupte sogar SB-Ware unterstützt Tierquälerei. Nur durch abgepacktes Fleisch können die Ketten Fleisch in Massen verkaufen, ohne SB-Ware wäre der Preiskampf vermutlich lange nicht so schlimm.

    Der Fleischer kann täglich frisch zubereitetes Fleisch anbieten (muss er z.B. bei Hackfleisch sogar, hier ist die SB-Ware im Vorteil da die begaste Ware nicht am Herstellungstag verkauft werden muss, aber wer will bitte Hackfleisch oder sogar Mett (!) was schon ein paar Tage alt ist verzehren? Mal abgesehen davon dass die
    Qualität des Supermarkthacks teilweise unter aller Sau ist.

    Auf der anderen Seite wenden auch herkömmliche Fleischer teilweise “billige” Tricks an um das Fleisch frischer aussehen zu lassen, beispielsweise durch die Verwendung von Nitritpökelsalz. Man könnte auch normales Meersalz benutzen, aber mit Nitritzusatz wird die Wurst schön rot. Wie sieht das eigentlich bei dir aus Ludger, hast du auch Nitritpökelsalzfreie Wurst im Angebot? Anscheinend haben immer mehr Leute Nahrungsmittelunverträglichkeiten in dem Bereich. Mal sehen wie lange es dauert bis die Presse diese (gepökelte) Sau durchs Dorf treibt.

  14. me

    Ich kaufe so gut wie gar keine Fleischereiprodukte mehr, da fast überall Scheißdreck drin ist. Angefangen mit Nitritpökelslaz, wobei Nitrit sehr giftig ist, über jodiertes und fluoridiertes Speisalz. Jodid/Jodat ist ein Stoff, der zum Beispiel aus Krankenhausabwässern receykelt wird, während Fluorid ein industrieller Abfallgiftstoff ist.

    Da ich keine Lust dazu habe, Abfälle und Gift zu fressen, lasse ich solche Produkte in den Läden.

    Fleischer verwenden zur Herstellung vieler Produkte dann auch noch Brätfibrisol, was wiederum Phospaht enthält und ebenfalls gesundheitsschädlich ist.

    NEIN DANKE!

    Das Gebot der Zeit heißt Selbstversorgung und Eigenherstellung. Ich will mich nämlich nicht länger vergiften lassen!

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