Künstlerpech oder Künstlerpflicht
Foto: Er hat auch den klaren Durchblick verloren. Die Wurst ist eine Spende.
Wenn man Post von der „Deutschen Rentenversicherung“ bekommt, ist das in der Regel etwas für die eigene Rente. Wenn eine Zahlungsaufforderung dabei ist, schaut man schon genauer hin. In dem Bescheid steht: [...festgestellt, weil sie Werbung bzw. Öffentlichkeitsarbeit für das eigene Unternehmen betreiben und nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler und Publizisten erteilen....] (in diesem Falle unsere Werbeagentur)
Hallo – ich habe ein Geschäft und muss werben!!! – und ich muss Öffentlichkeitsarbeit betreiben!!!
[...die sich hieraus ergebene Künstlersozialabgabe beträgt insgesamt: 1686,63 EUR. ]
Um eines vorweg zu nehmen: Ich bin mit der Arbeit meiner Werbeagentur sehr zufrieden. Gemeinsam haben wir sehr viel erreicht. Danke dafür. Mein erhöhter Pulsschlag ergibt sich jedoch daraus, dass scheinbar nur einige Firmen zahlen müssen. (unser Steuerberater dachte, ich wolle ihn verarschen. Mein Bundestagsabgeordneter hat sich kringelig gelacht, weil er davon noch nie gehört hat. In verschiednen Sitzungen mit Unternehmern berichte ich von der Künstlersozialabgabe: Ich haben noch KEINEN gefunden, der einen Bescheid gekommen hat. (nur der Freese)
Warum müssen wir rückwirkend bis zum Jahr 2003 die Abgaben zahlen?
Warum können sich Künstler nicht selber versichern? (bei den Preisen!)
Warum wird eine Werbeagentur als eine künstlerische Leistung angesehen?
Warum ist eine Preisänderung im Web eine künstlerische Arbeit?
Warum muss ich nicht zahlen, wenn die Agentur eine GmbH ist?
Bin ich als Fleischer auch ein Künstler? (mache Wasser schnittfest und schmackhaft- eine hohe Handwerkskunst!)
Es wird mir sicherlich nichts übrig bleiben, als die 1686,63 EUR zu zahlen. Viel lieber würde ich das Geld für Werbung, Anzeigen, Handzettel, Onlinehandel, Web 2.0, Twitter oder einem
„Tag der offenen Tür“ ausgeben.
Sie, liebe (kranke) „Deutsche Rentenversicherung“ zwingen mich dazu, mein Geld dafür einzusparen! Ich werde nun den fünffachen Betrag ( mind. 8.500.-Euro) für Werbung einsparen. Der Werbewirtschaft und den Lokalzeitungen wird es freuen, denn tausende anderer Firmen werden ähnlich reagieren, zum Wohle einiger „zahlungsunfähigen“ Künstler!? Vielleicht sollte ich mich einfach als Künstler betiteln, damit andere für mich zahlen dürfen. Einen Künstlernamen habe ich schon: Luigi-don-Mettwurst.
P.S. Wahrscheinlich kommen jetzt kaum Kommentare, weil jeder Angst haben wird, dass die „Künstlerkralle“ auch beim ihm zuschlägt.
Am 22. Mai 2009 um 17:26 Uhr
Hallo Ludger,
schalte doch mal deinen Landes- oder Bundesinnungsverband ein. Vielleicht haben die einen Juristen, der sich mit der Künstlersozialversicherung einigermaßen auskennt. Der Justitiar von unserem Zentralverband hat sich mit dem Thema genauer befasst und konnte die Rechnung für den Verband deutlich drücken, weil eben nicht alle Leistungen rund um Werbung, Internet usw. unter die Künstlersozialversicherung fallen. Oder lass deinen Steuerberater ein bisschen arbeiten, dafür ist er da. Und wenn er sich mit dem Thema nicht auskennt, …
Anteilnehmende Grüße aus Bayern
Doris
Am 22. Mai 2009 um 17:35 Uhr
Unsere Kunden bekommen auch dauernd Post von der Künstlersozialkasse.
Wir weisen dann darauf hin, dass wir 1. eine richtige Firma (GmbH & Co. KG) sind und darum selber unsere Sozialabgaben abführen und 2. die von uns erstellten Websites Gebrauchsgrafik und keine Kunst sind.
Ich glaube auch nicht, dass Deine Werbeagentur Künstler beschäftigt, oder?
Vielleicht hilft Dir das…
Am 22. Mai 2009 um 17:43 Uhr
Ein “dickes Ding” ist es auch, dass die KSV mich als Werbeagentur gar nicht aufnehmen will. Ich komme gar nicht in den zweifelhaften Genuss, an dieser “Spende” in irgendeiner Form partizipieren zu können! Wegen meiner Ansicht nach (nicht nur auf die KSV bezogen) mittelmäßiger und unfähiger Politiker und der KSV selbst bin ich auf keinen Fall bereit, eine GmbH zu gründen (die hatte ich bis 1992) und mir weitere Restriktionen auferlegen zu lassen.
Mir tut es für Sie, Herr Freese, leid. Aber so ist das und so war es schon immer: Wer sich anders als Andere verhält oder erfolgreich ist, der wird wahrgenommen und fällt auf.
Hmm … aber deshalb den Werbeaetat kürzen und nicht mehr auffallen wollen? Entspräche das nicht einer Kapitulation vor dem System?
Wie wäre es mit einem: “Die können mich Mal … jetzt erst recht!”?
Am 22. Mai 2009 um 17:46 Uhr
@Doris,
der Antrag ist über unser Steuerbüro gestellt worden. Wir mussten alle Agenturrechnungen ab 2003 vorlegen. Der LIV Hannover kennt das Thema zu gut. Im Rundschreiben wird darauf hingewiesen, aber eine Mittel dagegen, kennt keiner.
@Balu,
in dem Bescheid heißt es: [...unabhängig von der Rechtsform und dem Unternehmenszweck ist grundsätzlich jeder Unternehmer zur Entrichtung ..verpflichtet...]
Die Rechnungen der Agentur wurden in voller Höhe – also z.B. auch eine Preisänderung – angerechnet. Meine Agentur hat keine Mitarbeiter.
Am 22. Mai 2009 um 17:57 Uhr
@ Balu:
So wird es leider auf keinen Fall helfen.
Das Argument “Gebrauchsgrafik” zählt leider gar nicht, wenn sogar die Programmierung in diesem Zusammenhang als “künstlerische Leistung” tituliert wird. Da wird dann die nächste FA-Prüfung sicher eine “lustige” und turbulente Angelegenheit. Bitte vorher genau informieren und besser nicht solche Ratschläge geben, das hilt gehörigen Ärger zu vermeiden!
Außerdem: Auch als GmbH hat man die KSV abzuführen! Das ist Fakt! Wenn es der Kunde nicht zahlt, dann muss es die Werbeagentur abführen und auf Ihre Preise aufschlagen, sofern man kaufmännisch rechnet. Und haftbar gemacht wird der Geschäftsführer persönlich, nicht die GmbH!
Und: Ich gehe davon aus, dass das Geschriebene keine “Spitze” darstellen sollte, deshalb nur zur Klarstellung: Wir sind auch eine “richtige” Firma und zahlen selbstverständlich ebenfalls Sozialabgaben.
Am 22. Mai 2009 um 18:27 Uhr
Leider treibt die Künstlersozialkasse seit Sommer 2007 mit Unterstützung der Rentenversicherung die KSA (Künstlersozialabgaben) ein. Von vorher ca. 20 Beamten wurde auf über 3.700 “Eintreiber” aufgestockt.
“Gefundene” Betriebe müssen dabei sogar rückwirkend für die letzten 5 Jahre zahlen. Natürlich hat die Künstlersozialkasse in den letzten Jahren darüber weder für Aufklärung noch für Information gesorgt. Aber sie droht direkt bis 50.000,- € Bußgeld an.
Beauftragt ein Unternehmen beispielsweise eine Werbeagentur, die als Gewerbebetrieb gemeldet ist und für die folgerichtig auch Gewerbesteuer abgeführt wird, MUSS das beauftragende Unternehmen, gemäß Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG), dennoch die Künstlersozialabgabe für die von der Werbeagentur in Rechnung gestellten Leistungen abführen!
Und das, obwohl der Inhaber der Werbeagentur NICHT als Freiberufler anerkannt und NICHT in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung versichert ist.
Die Werbeagentur und deren Inhaber profitiert NICHT von der Abgabe! Die Unternehmen profitieren ebenfalls nicht von der Abgabe. Einzig die Künstlersozialkasse und deren Versicherte profitieren hiervon!
http://www.openpr.de/news/172146.html
Die Künstlersozialkasse entscheidet durch Verwaltungsakt über die Abgabepflicht eines Unternehmens und über die Höhe der Künstlersozialabgabe. Gegen den Bescheid der KSK steht einem betroffenen Unternehmen der Widerspruch zur Verfügung. Hilft die KSK dem Widerspruch nicht ab, kann das Unternehmen vor dem Sozialgericht klagen.
Am 22. Mai 2009 um 18:57 Uhr
Hallo Herr Freese,
vielleicht ein kleiner Trost für Sie: Ich muss auch bezahlen, obwohl ich es wie Sie sehe.
Am 22. Mai 2009 um 19:01 Uhr
@Claus,
dann habe in nun den ersten Unternehmer gefunden, der auch zahlen darf. Wahrscheinlich sind die Jungs in Berlin auf “Google” gegangen und haben die ersten 15 Betriebe einer jeder Branche angeschrieben. Die zweite Gruppe kommt nach den Wahlen…
Am 22. Mai 2009 um 19:22 Uhr
Na ob das nur 15 Betriebe waren???????????????? Selbst mich haben Kunden angerufen und mir berichtet, dass sich die Künstlersozialkasse mit Forderungen gemeldet hätte.
Verpflichtet zur Meldung und Abführung dieser Künstlersozialabgabe sind alle Unternehmer, öffentlich-rechtliche Körperschaften, Personengemeinschaften und Vereine, die eine künstlerische oder publizistische Leistung von Freiberuflern in Anspruch nehmen. In erster Linie davon betroffen sind:
Verlage und Presseagenturen
Theater, Orchester und Chöre
Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen
Rundfunk- und Fernsehanbieter
Hersteller von Bild- und Tonträgern
Galerien und Kunsthandel
Werbeagenturen (Design-Leistungen)
Variete- und Zirkusunternehmen
Museen
Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische und publizistische Tätigkeiten
Abgabepflicht besteht aber auch dann, wenn Unternehmen für die Werbung Ihres Unternehmens regelmäßig (nicht nur gelegentlich) Aufträge an freiberufliche Künstler und Publizisten erteilen. Damit gehören praktisch alle verkaufsorientierten Unternehmen zu den Abgabepflichtigen. Regelmäßig ist bereits einmal jährlich. Es reicht aus, wenn von vornherein erkennbar ist, dass in absehbarer Zeit erneut entsprechende Aufträge erteilt werden.
Am 22. Mai 2009 um 22:31 Uhr
In Zeiten mit knappen Kassen wird eben überall probiert den Betrieben das Geld aus der Tasche zu ziehen. Da gibt es für Dich nur eins: Mach doch im Hinterhof ein Atelier auf und werde selbst Künstler. Vielleicht bekommst Du dann später von dem eingezahlten Geld wieder etwas ausbezahlt
Am 22. Mai 2009 um 23:52 Uhr
@Dieter Wiemkes:
Ich meinte das anders. Wir sind ja “Zwischenhändler” und zahlen unsere Abgaben an die KSK. Wir beauftragen die Designer und Fotografen, weswegen wir wohl auch die Abgaben zu tragen haben.
Ich meine gelesen zu haben, dass unsere Kunden das dann aber nicht mehr bezahlen müssen.
Neu für mich ist aber, dass meine Web-”Programmierarbeit” auch als künstlerische Tätigkeit gesehen wird.
Aber ich bin ja auch nur Programmierer und kenne mich mit dem Verwaltungskrams nicht aus.
Ich frage mich nur, wer tut das. Und wieso kriege ich von der KSK kein Geld, wenn ich doch Künstler bin?
Am 23. Mai 2009 um 07:04 Uhr
Hallo Herr Freese,
habe auch von dieser Gesellschaft Post erhalten, Frau Becker von unserem Steuerbüro hat sich sehr für uns eingesetzt und wir sind nicht unter die Zahlungpflichtigen gefallen. Die Dame von der Gesellschaft hat uns sehr geholfen. Einfach mal anrufen.
Gruß
Marco Haag
Am 23. Mai 2009 um 08:25 Uhr
@Marco Haag,
was ist das für eine Gesellschaft, von der du hier schreibst? Bei uns hieß es nur: Rechnungssummen auflisten und zahlen.
Am 24. Mai 2009 um 21:08 Uhr
Das gibt´s doch wohl nicht!
Ich kann nur noch k……!
Und dann wundern sich die DEPPEN über “Amokläufer”!
Am 24. Mai 2009 um 23:01 Uhr
Hallo Ludger,
das ist wirklich eine Sauerei. Auch wenn das manche anders sehen: Werbung ist nicht Kunst, und Kunst nicht Werbung. Demzufolge sollte man für eine Werbeagentur eigentlich auch nicht in die KSK einzahlen müssen. Wenn es dich interessiert: Die Seite www.kskontra.de versucht eine Petition durchzuringen gegen die schrägen Methoden der KSK. Vielleicht bringts was.
Im übrigen sind viele der “echten” Künstler tatsächlich auf die KS-Kasse angewiesen. Nur drei Prozent können angeblich von ihrem Schaffen leben. Das trifft aber hoffentlich nicht auf deine Agentur zu…
Am 25. Mai 2009 um 00:23 Uhr
Ich sehe es genau so, wie der Claus Böbel, Herr Freese. Am Zahlen kommt schlussendlich keiner vorbei.
Am 25. Mai 2009 um 04:41 Uhr
Ich verstehe die Inkonsistenz der Abgabenerhebung nicht so ganz. Wenn ich also regelmaessig – in welchem Abstand auch immer – beauftrage, muss ich zahlen. Wenn ich nur einmal beauftrage, dann nicht?
Nach dieser Logik muesste ich ja nur Abgaben abfuehren, wenn ich einen Mitarbeiter oefters bezahle. Wenn jemand nur 1x bezahlt wird, dann ist Brutto gleich Netto…zumindest im Sinne logischer Konsistenz.
Sollte nicht der Empfangende, also der Kuenstler/Agenturinhaber/werauchimmer (ich bringe hier nicht meine Wertung ein, ob eine Agentur da nun drunter faellt oder nicht) in der Nachweis- und Abfuehrungspflicht stehen? Ich sammle doch auch nicht meine Supermarktbelege und zahle dann 1x pro Jahr meine Mehrwertsteuer.
Am 25. Mai 2009 um 07:05 Uhr
@Bene und Karsten,
wenn Künstler nicht auf das Geld angewiesen sind, müssen sie entweder einen 2. Job machen (wie andere auch) oder “gesunde” Künstler müssen ihre Berufskollegen helfen.
Außerdem sind für mich Webarbeiten keine künstlerischen Arbeiten. Das mag 1983 -als die KSV eingeführt wurde – noch richtig gewesen sein. Heute kann doch fast jeder seine eigene Homepage erstellen und pflegen. (auch wenn die Seiten vom Profi eine andere Qualität haben)
Bin mal gespannt, was den Damen und Herren noch zu Blogs und zum Twitter einfällt… (Da muss doch Kohle zu machen sein…. )
Am 25. Mai 2009 um 15:43 Uhr
Die Motivation der Aussenpruefer der Rentenversicherungsanstalten, Ausschau zu halten, ob Beiträge zur Künstlersozialversicherung nachzuberechnen sind, ist denkbar gering, da ihr Arbeitgeber davon nicht profitiert. Zudem wird ein solcher Pruefer nicht in alle moeglichen Fibu-Konten, deren Kontobezeichnung nicht nahelegen, dass es sich Aufwand für künstlerische oder journalistische Leistungen handelt, Einblick nehmen.
Vermutlich ist in dem geschilderten Fall der Beitragsbescheid enstanden, weil der Betrieb oder ein (über)eifriger Steuerberater den ersten Fragebogen, mit dem festgestellt werden soll, ob überhaupt abgabepflichtige künstlerische oder journalistische Leistungen beauftragt worden sind, so ausgefüllt hat, daß automatisch die Folgefrage aufgeworfen worden ist, in welcher Höhe.
Werbeagenturen bieten in der Regel eine Vielzahl von Leistungen an, zu denen sowohl abgabepflichtige Leistungen gehören wie auch abgabefreie und solche von zweifelhafter Zuordnung. Letzlich wird sich eine Pruefung, ob eine Künstlersozialabgabe in Frage kommt, auf Buchhaltungsbelege kaprizieren und was darin angegeben ist.
Am 29. Mai 2009 um 13:49 Uhr
Ich fass’ es nicht. Man oh man, erinnert mich irgendwie an die GEZ, die ja ähnlich – aber natürlich auf anderem Sachgebiet – vorgehen.
Zeigt doch wieder, wie gut sich die Politiker über so etwas Gedanken machen – sofern sie sich denn welche machen. Schlimm sowas.
Am 21. Juli 2010 um 22:53 Uhr
Ich sehe es genau so, wie der Claus Böbel, Herr Freese. Am Zahlen kommt schlussendlich keiner vorbei.
Am 10. August 2011 um 11:50 Uhr
Das ist ja echt mal ne Stange Geld….unfassbar, ehrlich!