Blindengerechte Bestellung

Als blinder Mensch muss das Leben sehr viele Tücken haben. Stufen, Türen, Ampeln, Mitmenschen oder auch das Internet können für diese Gruppen nicht richtig oder gar nicht wahrgenommen werden.
Wir haben vor einigen Tagen von einem Blinden eine Onlineanfrage bekommen, der gerne unseren Onlineshop nutzen möchte. Es ist die erste Anfrage von einem Blinden. Daher war ich zunächst etwas überrascht, weil er unseren Shop lesen konnte. Wir haben aber den Shop seinerzeit so eingerichtet, dass er blindengerecht ist und von einem Vorleseprogrammen erkannt wird. (Danke für diese Weitsicht, Herr Wiemkes) Blinde Internetnutzer können problemlos unseren Shop nutzen.
Ich habe nun mit dem Herrn Wolter aus Münster (Red. Name geändert) Kontakt gehabt und ihm um Erlaubnis gebeten, seine Zeilen hier im Blog zu veröffentlichen. Ich mache das, um zu zeigen, mit welchen Hürden ein Blinder lebt. Wir alle können uns da kaum vorstellen, wie es ist, blind zu sein.
Hier die Anfrage von Herrn Wolter:

Zunächst sollten Sie wissen das ich blind bin. Dieses macht mir das
einloggen und eine Anmeldung in Ihrem Shop unmöglich. Mit meinen
Hilfsmitteln geht das einfach nicht ohne sehende Hilfe. Die Produkte kann
ich ersehen und aussuchen. Auch den Warenkorb kann ich auslesen. Nun komme
ich zu einer anderen Sache. Mit Ihren Zahlungsweisen habe ich meine
Probleme. Da ich bei den Lieferdiensten weder mit EC,- noch Kreditkarte
bezahlen kann, fällt ein Nachnahmeversand aus. Mit der Zahlung per Vorkasse
habe ich insoweit ein Problem das ich mir ein Taxi kommen lassen müßte um
bei meiner Bank die Überweisung zu veranlassen. Online-Banking ist für mich
unmöglich. Auch mit Bargeld habe ich Sorgen da ich immer den Menschen
vertrauen muß welche mich bedienen und bei mir kassieren. Darüberhinaus habe
ich nicht gerne viel Geld im Hause.

Nun zu meiner Anfrage. Wäre es Ihnen bitte möglich zu überdenken ob Sie
meine Rechnungsbeträge nach Nennung meiner Bankverbindung von meinem Konto
einziehen Können? Wäre eine Bestellung auch auf diesem Wege möglich, in dem
ich Ihnen meine Wünsche per Mail übermittele?

Nun bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und verbleibe mit bestem Gruß

Wir werden natürlich auf die Wünsche von Herrn Wolter eingehen und leckere Wurst schicken…

7 Reaktionen zu “Blindengerechte Bestellung”

  1. URS

    Oh, ja, das Web und die Barrierefreiheit…
    Es gab mal kurz eine kleine Tendenz, neue Webseiten so einzurichten, dass sie auch von Minimal-Browsern und behindertengerecht bedient werden konnten. Die Flash-Seiten von sogenannten Marketing-Agenturen natürlich ausgenommen.
    Dass dabei als eines der Gütezeichen die Schrifgröße änderbar ist, habe ich nie verstanden, denn jeder vernünftige Browser macht das mit ein paar Tastendrücken.

    Nun kommt das Web 2.0, mit mehr Javascript als zuvor, und Interaktion ohne Ende.

    Ich kann nur jeden Web-Entwickler auffordern, die eigenen Seiten mal mit einem Text-Browser auszuprobieren. “Elinks” zum Beispiel ist relativ konfortabel und kann auch das wichtige HTTPS. Sogar die Wikipedia läßt sich damit recht zügig bedienen, und ich kann mir nach kurzer, aber intensiver Zusammenarbeit mit einem Blinden durchaus vorstellen, dass man Webseiten für Textdarstellung optimieren kann, ohne auf den üblichen Schnickschnack zu verzichten.
    Ein Hersteller einer Blinden-Braille-Zeile sagte mir damals, dass sie in Windows sogar Texterkenung per OCR machen müssten, weil einige Programme ihre Menüs selber malen, statt das Windows-API mit Textparametern zu verwenden. Für unsere Software hatten wir damals (1995) eine Textoberfläche, die den Hersteller der Blindenzeile und den Blinden sehr zufriedengestellt hat.

    Leider funktionieren der Freese-Shop mit Elinks auch nicht und liefert mir nur einen “Error 404, Document not found” zurück, ich kann Herrn Wolter also durchaus verstehen.

    Vielleicht ist Opera noch eine Alternative, das bietet irgendwo in den Einstellungen eine recht gute Textdarstellung. Opera war bislang immer noch am besten mit dem Vergrößern von Webseiten, alternativen Darstellungen und flinker Bedienung über die Tastatur.

  2. Ludger

    Hei ja jei – was für ein Mamutkommentar.
    Ich bin leider nur Fleischermeister und kann auf die meisten Dinge nicht eingehen. Mir ist nur gesagt worden, dass unser Shop von Vorleseprogrammen erkannt werden kann.

    Ich habe mir nie gedanken gemacht, wie man als Blinder mit der EDV umgeht. Ist das technisch kein Problem? Ich bin da völlig unwissend.

  3. URS

    Mammutkommentar? Danke. Besser als das Gestammel in Kommentaren anderer Webseiten (“*LOL*”), nicht wahr?

    Ich habe, wie geschrieben, mal einen Blinden bei der Arbeit am Rechner gesehen und bin seitdem sensibilisiert. Schließlich kann es jeden mal treffen.
    Es gab mal eine Zeit, in der Programme für Windows-Rechner halbwegs konsistent zu bedienen waren, sogar ohne Maus, und auch für Screenreader geeignet. Dann kam Multimedia. Die ganzen MP3-Abspieler, bei denen die Programmierer ach so viel Arbeit in grafischen Schnickschnack gesteckt haben (es muss bunter werden, ovale Fenster, und manchmal hält noch nicht mal Microsoft an die eigenen Design-Richtlinien), und die sich nicht mehr mit der Tastatur alleine bedienen lassen. Gehen Sie doch heute mal mit der Tab-Taste durch Internet- oder Programmformulare, statt mit der Maus jedes einzelne Feld anzuklicken (das dauert ewig…) — die Feldfreihenfolge ist manchmal eine Katastrophe…

    Natürlich lagert man seinen Shop an externe Dienstleister aus, schon weil es um Bezahlung und HTTPS geht. Dabei ist weniger oft mehr, und viele Webdesigner stecken mehr Arbeit in den Chrom als in die Technik. Nein Ludger, an Ihrem Shop können Sie selber wenig ändern. Der Shop arbeitet mit Frames (bah!) und Session-IDs, und intensiv mit Java-Script. Das schafft nicht jeder Browser, vor allem nicht die für Spezialanwendungen.
    Wenn man jedoch einen normalen Web-Browser oder den Internet-Explorer verwendet, kann sich ein Screenreader vielleicht damit abmühen, Ihren Shop vorzulesen ;-)

    Mein Bildschirm hat 1600×1200 farbige Punkte. Eine Braille-Zeile kann eine Text-Zeile mit 80 Buchstaben und Ziffern darstellen. Das ist ein Unterschied, oder? Das ist so, als ob Sie die Webseite einzeilig auf einem Papierstreifen ausdrücken würden.
    Thema Screenreader: Machen Sie sich den Spaß und lesen Sie Ihrer Frau eine normale Webseite vor — inklusive Menüs, bitte. Mittlerweile gibt es bessere Hard-/Software, aber die ist natürlich auch teurer — und wie will man Bilder vernünftig darstellen?

    Ihr Angebot der Auftragsbearbeitung per E-Mail ist wahrscheinlich der beste Mittelweg zwischen den angebotenen Online-Shop-Programmen und Kundenfreundlichkeit.

  4. Dieter Wiemkes

    @ Urs: Prima, das ist Engagement!

    Wegen des “Error 404″ in “Elinks”:
    Der Browser “Elinks” ist ja nicht der einzige Browser, mit dem Blinde surfen können. Unter http://www.barrierefrei-kommunizieren.de/ findet man sicher über 100 Hilfen und Programme für Blinde, die das Leben erleichtern.

    Und – da haben Sie eventuell etwas miss verstanden – der blinde Interessent IST ja bis zur Bestellmöglichkeit durch gedrungen. (Er schreibt, er könne alles “auslesen”). Es ist also nicht so, dass er den Shop nicht angezeigt bekommen würde. Sein Problem bestand lediglich in dem Wunsch, eine andere nicht vorgesehene Zahlungsform nutzen zu dürfen.

    Zu den “bah”-Frames:
    Das Shopsystem selbst hat man leider nicht ohne Weiteres (und viel Zeit und Geld) im Griff, weil es ein seit etwa 8 Jahren bestehendes und günstiges (!) Shopsystem mit 1&1-Technik ist. Er bietet nicht allzu viele Möglichkeiten aber einzuhaltende Reglementarien.
    Aber: Vielleicht “überzeugen” Sie Herrn Freese ja und wir dürfen bald einen neuen Shop entwickeln. ;-)

  5. Wolfgang Tillkorn

    Da haben Menschen wirklich Ahnung wovon Sie reden. Es gibt aber auch Späterblindete welche mit der Punktschrift nichts anfangen können. Die sind eben auf Screenreader (Bildschirmausleseprogramme) angewiesen. Und da sind Frames und Grafiken der Tod.

    Nun weiß ich aber aus Erfahrung das es Shopprogramme gibt welche absolut zu bedienen sind. Dazu gehören auch die Bereiche des Login. Grundvorraussetzung sind beschriftete Links. Um einiege Beispiele anzuführen nenne ich hier Firmen bei denen das für Erblindete keinerlei Probleme darstellt. Die Aufzählung stellt keine Werbung dar. Blindenhörbuchladen, Tchibo, Ebrosia, World of Sweets, Gewürze Schwabe, Otto. Bei letzterem ist das besonders gut gelöst worden. Dort ist die normale Web-Seite mit einer Barrierenfreien Version hinterlegt. Das ist sehr aufwendig.
    Dieses sollte nur für die Macher von Shopsystemen von Interesse sein. Es gibt darüberhinaus noch mehr über die Schaffung von Barrierefreien Webseiten. Erschreckend ist in diesem Zusammenhang nur, das der Gesetzgeber der die Barrierefreiheit in seinem Diskriminierungsgesetz verankert hat, es bis heute nicht geschafft hat, dieses auf seinen eigen Plattformen umzusetzen. Mit liebem Gruß Wolfgang Tillkorn.

  6. Zahnbürste

    Das Problem ist, dass bei der Entwicklung von einem solchen Shop diese Faktoren nicht bedacht werden. Daher haben Blinde am Ende sehr viele Probleme. Würde man Sie mit einbeziehen, wäre es viel einfacher für Sie.

  7. elektrische Zahnbürste

    so übel es auch klingt, aber wieviele blinde besuchen deinen shop?
    da is der aufwand zu hoch, es lohnt sich einfach nicht für ein bis zwei potentielle kunden einen solch großen aufwand zu betreiben

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