Spitze Ohren

Da habe ich doch spitze Ohren bekommen! Vor einigen Tagen war ich in einem Lebensmittelmarkt um Kleinigkeiten zu besorgen. An einer Bedientheke im Vorkassenbereich standen zwei Fachkräfte, die sich intensiv über Ihre Arbeitszeiten unterhielten. „Ich habe im Februar schon 193 Stunden! Das ist eine Sauerei,“ sagte die eine. „Ich mache das auch nicht länger mit. So geht das nicht weiter,“ gab die andere als Antwort. Erst als ich warten musste, wurde das Gespräch beendet. Ich war natürlich sehr neugierig und habe während meiner Bestellung etwas provokativ gesagt. „Dann werden sie in diesem Monat ja richtig viel Geld bekommen, bei über 200 Stunden!“ „Überstunden werden hier nicht bezahlt!“ – „Ok, dann gibt es sicherlich Freizeit im kommenden Monat!“ – „Nein! Hier wird nichts vergütet, weder in Geld noch in Freizeit! Das ist in dieser Firma nicht üblich!“ Die junge Verkäuferin hörte sich sehr verärgert an. Ich war auch etwas erschrocken, weil ich eine solche Antwort nicht erwartet hatte.
Fast 40 Stunden umsonst arbeiten. Das ist schon harter Tabak! Die Firma hat bestimmt 20/25 Mitarbeiter.  Die Motivation der Mitarbeiter wird sich sicherlich in Grenzen halten. In solchen Betrieben nützt die beste Werbung, die tollste Einrichtung oder die beste Ware nichts. So eine miese Stimmung wird alles zerstören.

Warum ich über dieses berichte? 1. Haben alle einen Anspruch auf faire Bezahlung. 2. Bin ich verärgert über das unsoziale Verhalten des Unternehmers. 3. Entsteht durch die Unzufriedenheit des Verkaufspersonals eine weitere „Servicewüste“ 4. Wird ein solcher Betrieb nie wirtschaftlich arbeiten können. (Diebstahl, unmotiviert, keine Verantwortung, Krankheit etc.) 5. Ist ein solcher Beruf unattraktiv und wird nicht weiter empfohlen.
Es gibt sicherlich viele weitere Gründe. Ich möchte auch nicht behaupten, dass bei uns alles perfekt ist, aber etwas menschlicher und verantwortlicher arbeiten wir schon.

Keine Reaktion zu “Spitze Ohren”

  1. Michael Lalk

    Unverständlich für mich. Diese Arbeitgeber haben doch mit ihren Mitarbeitern ein Kapital. Wie gehen die mit diesem Kapital um? Was sagt denn der Betriebsrat? Ich kann nur den Kopf schütteln, sicher bekommen die Angestellten nicht einmal eine Belobigung oder ein Dankeschön!

  2. Ludger

    Hallo Michael,
    genau das waren auch meine Gedanken! Wie geht der mit seinen Mitarbeitern um? Wenn man die Gedanken weiter denkt, wird man sehen, dass sich solche Betriebe festlaufen. Die Kunden spühren unzufriedenes Personal und werden den Betrieb meiden. Da bin ich mir ganz sicher.

  3. Doc Sarah

    es gibt durchaus (vorwiegend klein- und mittelständische) betriebe, in denen sich die angestellten nicht wirklich bewusst sind, wie gut sie es haben. wie oft zb die inhaber auf eigene gehaltsentnahmen verzichten, um die angestellten zu bezahlen.
    in diesem land fehlt es ob der sozialen über-sicherung an motivation der einzelnen, was sie denn für den staat tun könnten – und nicht nur der staat oder die arbeitgeber für sie (folgend dem berühmten zitat von john f. kennedy).
    es muß ja nicht dabei bleiben, daß angestellte bisweilen “bezahlte feinde” sind…

  4. Thomas H. Lemke

    Da fährt wohl jemand voll auf Verschleiß. Sind die Mitarbeiter aufgebraucht, können sie gehen. Es gibt ja genug neue. Was da an Unmut in der Gesellschaft erzeugt wird…
    Allerdings: Wir kaufen ja schließlich trotzdem dort ein – oder?

  5. Doc Sarah

    @ thomas lemke:
    also, ich kaufe NICHT bei solchen ketten (möchte hier keine nennen, um keine abmahnwelle loszutreten) – ob nun lebensmittel oder drogeriemärkte – die für solche “personalpolitik” bekannt sind…

  6. Uwe W.

    Hallo Herr Freese,
    um auch mal für die Arbeitgeberseite eine Bresche zu schlagen.
    Ich hatte vor Wochen ein Erlebnis, dass mich seit dem beschäftigt. Ich war Vertreter der Arbeitgeberseite für einen Filialbetrieb in einem Arbeitsgerichtsprozess zum Thema Überstunden. Unsere Argumentation war, dass nicht nur reine Anwesenheit, sondern auch der Gegenwert an Wertschöpfung den Anspruch auf Überstundenvergütung begründet. Das sah das Gericht aber ganz anders. Selbst die unbewiesene Behauptung, der Arbeitnehmer hätte keine Möglichkeit gehabt, seine Pausen einzuhalten, wurde anstandslos durchgewunken.
    Ich bin , wie Sie, für eine anständige Bezahlung, erwarte aber andererseits auch anständige Arbeit.

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