Wertloser Meisterbrief

Meisterbrief

Die Meisterprüfung im Fleischerhandwerk ist aus meiner Sicht in den letzten Jahren völlig unter die Räder gekommen. Das Niveau der Prüfung war nie sonderlich hoch und anspruchsvoll. Der komplette Vorbereitungslehrgang dauert nur 8- 10 Wochen. Fast jeder besteht die Prüfung, weil die Schulen alle im Wettbewerb stehen. Jede Schule möchte, dass ihre Absolventen mit einem Abschluss nach Hause geht – doch zu welchem Preis?
Ganz schlimm finde ich es, das junge Menschen direkt nach der Gesellenprüfung (quasi am Tag nach bestandener Prüfung) gleich mit der Meisterprüfung weiter machen können. Zwei Monate später sind sie dann „Fleischermeister“ und sollen Verantwortung übernehmen, Jugendliche ausbilden und verlangen auch das Gehalt eines Meisters.

Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. In jüngster Zeit sind mir wiederholt solche „Green-Meister“ über den Weg gelaufen. Die Beruferfahrung ist leider gleich null. Sie kennen nur den Ausbildungsbetrieb und haben keinerlei Erfahrung aus anderen Betrieben, Verfahrensweisen oder den Umgang mit Menschen. (Ich behaupte sogar, dass einige Lehrlinge diesen „Meistern“ überlegen sind) Die alte Lösung, dass ein Geselle erst einige Jahre Erfahrung im Beruf sammeln muss bevor er Meister werden kann, ist sicherlich verantwortlicher und weitsichtiger.

Ein Fahranfänger wird auch nicht gleich „Formel 1 Rennfahrer“. Er muss täglich lernen, lernen, lernen, bis er seinen Titel hat. Und das geht nur mit Erfahrung und nicht „mal-so- nebenbei!“ Ein Fleischerlehrling kann nicht in zwei Monaten zum Meister werden. Auch er muss lernen, braucht Erfahrung und muss sich menschlich beweisen. Ich würde mich freuen, wenn die Verantwortlichen aus dem Handwerk hier einmal in Klausur gehen und über diesen Missstand nachdenken. (Vielleicht auch mal eine Person aus der Praxis fragen) ..und alles unter den „Deckmantel –EU“ zu schieben, ist auch keine Lösung.

16 Reaktionen zu “Wertloser Meisterbrief”

  1. Michael (Baudax)

    Vielleicht sollte man die Gesellenwanderung einführen, wie es z.B. die Zimmererzünfte zum Teil noch machen.

  2. Lucas

    Die zünftigen Wandergesellen sieht man schon mal. Sie werden (gefühlt) wieder mehr.
    Mir geht es schlicht um Berufserfahrung, Lebenserfahrung und Werte. Das kann man nicht in zwei Monaten lernen.

  3. Beat

    Also in der Schweiz ist es glaub schon noch so das man zuerst 5 Jahre auf dem Beruf arbeiten muss bis man die Meisterprüfung absolvieren kann.
    Diese dauert dann 1 Jahr. Sie ist sehr teuer und auch sehr schwer Die durchfallst rate ist sehr hoch.

  4. Ludger

    @Beat,
    die Schweizer denken etwas weiter. Drei Jahre Praxis würden mir persönlich auch schon reichen, vielleicht mit einer Empfehlung vom Arbeitgeber. So entsteht eine Win-Win Situation, wenn der junge Meister in den Betrieb zurück kommt.
    Wie wäre ein Gedankenansatz wie beim Führerschein, wo der Kandidat sich über einen gewissen Zeitraum beweisen muss…? (Schulungen, Seminare, Führungsqualität erlernen, einen Auszubildende erfolgreich durch eine Prüfung bringen etc.) Die Handwerkskammern haben Zeit und Personal dafür und diesen Prozess zu begleiten.

  5. Mike Seeger

    Mutig, Ludger, sich so über seinen Berufsstand auszulassen. Du könntest als “Nestbeschmutzer” von den Berufskollegen beschimpft werden.
    Dass es mit der Qualität der Ausbildung bei einigen Fleischern nicht zum Besten steht, kann ein aufmerksamer Kunde auf den ersten Blick in die Schlachtertheke feststellen. Dort liegen meist Schweineschnitzel aus der Oberschale herum, die mit und nicht gegen die Faser geschnitten wurden. Mir wollte neulich ein “Fleischermeister” erzählen, dass man das so macht (ich berichtete Dir vor Kurzem).

  6. Ristian Metz

    Eigentlich sollte es ja umgekehrt sein. Um so hoher die Anforderungen, um so kleiner der Kreis der eine Schule verläßt, um so besser der Ruf für die Schule. *

  7. Ludger

    @Mike,
    ob ich nun ein Nestbeschmutzer gesehen werde, ist mir in diesem Fall schon fast egal, weil hier etwas völlig falsch läuft. (siehe Deine Erfahrung) Es muss etwas geändert werden, dass teilen mir sogar Meister aus anderen Berufen mit.

    @Ristian,
    ein Schule sollte auch den Ansporn haben “Marktführer” zu sein. Damit meine ich nicht die Teilnehmerzahl, sondern die Qualität der Ausbildung zum Meister und wie daraus später erfolgreiche Unternehmer werden. Da bin ich ganz Ihrer Meinung!

  8. Karsten

    Das zieht sich leider ueber so ziemlich alle Branchen und Bildungsabschluesse. Entweder werden die Anforderungen verwaessert oder es werden einfach neue -meist englischsprachige – Titel eingefuehrt, die besser klingen aber weniger Wert sind… Ich sage nur: Bachelor *grmpf*

  9. Qualitätskommunikation » Zertifikate als Qualitätssignal

    [...] Qualität der Meisterausbildung wird in Frage gestellt. Im Blog der Fleischerei Freese in Visbek („Essen kommen!“) kritisiert der Autor Ludger Freese das Niveau der Meisterprüfung im Fleischerhandwerk. Die [...]

  10. Tim

    Ach tatsächlich. Ich hätte natürlich gedacht: So ein deutscher Meisterbrief, das ist was Ehrwürdiges. Da müssen die armen Leute jaaaahrelang irgendwelches Zeug lernen, das sie nie wieder brauchen. Aber so ist das eben in Deutschland.

    Dass es genau andersrum sein soll, wundert mich schon. Gerade, wo es doch immer weniger klassiche Metzgerbetriebe zu geben scheint. Eine Schwämme von jungen Fleischermeistern konnte ich bisher allerdings auch noch nicht feststellen. Ich begegne in den Läden hier eigentlich immer “gestandenen Persönlichkeiten”. Scheint ja dann sogar ein Qualitätsmerkmal zu sein.

  11. Ludger

    @Karsten,
    vielleicht habe ich auch “falsche” Anforderungen, aber du [leider] völlig Recht.
    @Tim,
    wie sieht das denn in Österreich aus? Dort wird es sicherlich anders sein. Grundsätzlich ist unser Handwerk ok. – es fehlen zunehmend die Fachkräfte. In den großen Schlachtereien arbeiten fast nur noch Menschen aus Osteuropa und in den Supermärkten liegen die Waren abgepackt in Folien. Bedienung, Ausbildung und Fachwissen bleiben zunehmend auf der Strecke. Dafür werden “Qualitätssiegel” und “Checklisten” eingeführt, die behördlich überwacht werden und eine “heile Welt” vortäuschen sollen.

  12. Tim

    Da muss eine Verwechslung vorliegen. Ich komme nicht aus Ötserreich, sondern aus Mainz. Aber hier gibt es wirklich an jeder Ecke Metzgereien. Fast unheimlich, aber mir gefällt’s. Große Schlachterein bekomme ich allerdings nicht zu sehen, stimmt schon.

  13. Libellchen ina

    Der Sohn von Bekannten machte auch die Meisterprüfung, schaffte es im zweiten Anlauf, obwohl es nur der “Industriemeister” war. Dank väterlicher
    Hilfe wurde eine alte Metzgerei übernommen und prompt vom jungen
    “Meister” gegen die Wand gefahren. Der ehemalige Inhaber arbeitete noch mit, trotzdem ist der Laden dicht, der “Meister” pleite und da Papa mit seinem Haus bürgte, ist das Haus weg. Krebskranker Papa sitzt jetzt auch noch auf der Straße, besser gesagt nach dem Krankenhaus kam er ins Altenheim, weil das Haus zwischenzeitlich weg ist.
    Papa hat nichts mehr, Sohn hat nichts mehr. Wäre vielleicht anders und besser gelaufen, wenn der dumme Junge erst mal
    richtig gearbeitet und gelernt hätte. Ich kann Ludger Freese in allen Punkten nur beipflichten!

  14. Zertifikate als Qualitätssignal « Qualitätskommunikation

    [...] Qualität der Meisterausbildung wird in Frage gestellt. Im Blog der Fleischerei Freese in Visbek („Essen kommen!“) kritisiert der Autor Ludger Freese das Niveau der Meisterprüfung im Fleischerhandwerk. Die [...]

  15. Michael Bill

    Unser Lehrling hat im Sommer seine Gesellenprüfung bestanden und sich direkt zur Meisterschule angemeldet. Nun sitzt er dort mit 14 anderen jungen Leuten, welche über genauso viel Berufserfahrung wie er verfügen.
    Einige dieser jungen Leute haben ber REWE gelernt und vor der IHK ihre Prüfung abgelegt. Die HWK hat sie zur Meisterprüfung zugelassen obwohl sie noch nie in ihrem Leben ein Rinderhinterviertel ( geschweige denn Vorderviertel ) zerlegt haben und über die Herstellung von Brüh-, Roh- oder Kochwurst wissen sie soviel wie ein Fleischerei – Kunde.
    In meinen Augen ist es nicht nach zu vollziehen wie heute die Meisterprüfung gemacht wird. Null Berufserfahrung, keine Ahnung von Fleisch- und Wurstwaren, aber nach der bestandenden Prüfung einen auf dicke Hose machen. Ich bin sehr froh das ich nach langer Zeit einen Leidensgenossen gefunden habe der dies genauso sieht. Die Herren der HWK und der Innung sind für solche Gedanken nicht offen.
    Es wäre am sinnvollsten seinen Meisterbrief zurück zu schicken ( meiner ist von 1996 ), da dieser seinen Wert absolut verloren hat.

  16. Ludger

    Es stimmt wirklich. Was hier passiert ist, passt gar nicht ind die Berufwelt. Ich rege mich immer sehr über diesen Zustand auf. Eine Änderung sit aber nicht gewollt!

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