Wie wichtig ist eine gute Verbandsarbeit?

Foto: Ausbildung ist ein sehr großes Thema in unserem Beruf – klick: Fleischerberufe

Vor einigen Tagen war ich zur Obermeister-Tagung der Fleischer in Hannover. Auf so einer Tagung werden interessante Themen vorgestellt, die in der Geschäftsstelle eine aktuelle Bedeutung haben. Diese Themen können die Obermeister dann in ihren Innungsversammlungen an die Mitglieder weitergeben.

Am Mittwoch war u. a. die Digitalisierung im Handwerk/Fleischerhandwerk ein Thema. Wie viele wissen, ist das mein Steckenpferd und schon einige Jahre mein Anliegen. Ich habe von der Tagung eigentlich nur ein „belangloses“ Foto auf Facebook gestellt, um zu zeigen, dass wir Handwerker auch wichtige Themen besprechen. Dieses Foto wurde jedoch von vielen meiner Kollegen sehr heftig diskutiert, was Verbände leisten, was sie nicht machen und wie sie in Zukunft agieren sollen.

Das möchte ich zum Anlass nehmen, um die Verbandsarbeit aus meiner Sicht zu betrachten. Ich weiß, dass ich mich damit auf Glatteis bewege, weil es immer Kollegen gibt, die mit Verbände nichts am Hut haben. Für mich ist Verbandsarbeit jedoch sehr wichtig, weil ich hier eine Ausrichtung meiner Innungsarbeit erfahre.

Ich nutze niemals meine Arbeit im Ehrenamt für meine eigenen geschäftlichen Ziele. Ich sehe immer das Gesamtbild des Handwerks in seinen vielschichtigen Facetten, denn jeder Betrieb ist einzigartig. Ein Verband für etwa 6.000 Mitgliedsbetriebe kann also nie das „Allheilmittel“ für Probleme, gesellschaftliche Veränderungen, Ausbildungsprobleme, EU-Gesetzeswahn, Konkurrenzdruck oder mangelhafte Anerkennung durch die Kundschaft sein. Wenn sie das könnten, wären die Verantwortlichen wahrhafte Götter.

Für mich kann Verbandsarbeit nur der „Mörtel im großen Haus des Fleischerhandwerks“ sein. Sie kennen die „Maurer“ die bei den Behörden, in der EU, bei den Tarifpartnern in der Handwerksorganisation, Berufsausbildung, Beratung, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit (und viele weitere Themen) den Mörtel anmischen. Es kommt natürlich auch mal vor, dass Wände schief werden oder Decken einbrechen. Dieser bildliche Vergleich zeigt, wie schwer es ist, ein Handwerkshaus richtig zu gestalten.

Die Mitarbeiter des Verbandes – und ich kann hier nur über den Landesinnungsverband Niedersachsen-Bremen und den Deutschen-Fleischerverband sprechen – sind allesamt hochmotiviert. Sie versuchen immer aus den bestehenden Möglichkeiten für möglichst viele der Mitglieder etwas Nutzvolles zu gestalten. Da werden oft dicke Bretter gebohrt, die lange dauern und der Erfolg nicht immer ein lautes „Bravo“ hervorrufen. Das nehmen Kritiker wieder zum Anlass, um über die „Ohnmacht“ der Verbände zu schimpfen. Wenn wir aber keine Verbände hätten, würden Entscheidungen getroffen werden, die uns schädigen oder die Mitbewerber stärken. (aktuelle Stichwörter: Nährwertdeklaration für keine Mengen, Mehrwertsteuer für Lebensmittel, Allergene Kennzeichnung bei loser Ware…)

Das „Haus des Fleischerhandwerks“ wird niemals fertig werden – soviel ist klar. Immer neue Aufgaben, Veränderungen und neue Vorgaben zwingen zur Wachsamkeit. Mir ist auch klar, dass es vielen Betrieben nicht schnell genug geht, andere wünschen sich einen radikalen Weg, wieder andere sehen sich nicht vertreten und der nächste vermisst praxisbetonte Hilfen. Aus meiner Tätigkeit im Ausschuss für „Werbung und Öffentlichkeitsarbeit“ sehe ich, dass man viele Wünsche haben kann, die jedoch nicht so leicht umsetzbar sind, weil das Budget einfach nicht ausreicht.  Ich opfere gerne viel Zeit für meine Kollegen und dem Berufsstand, damit unser Haus niemals ohne den nötigen „Mörtel“ dasteht. Das mag nur eine kleine Schüppe sein, aber nur mit Kritikern kann man keine Steine aufeinandersetzen. Wenn ich aber Begeisterung, Einsatzwillen und Liebe in meine Arbeit stecke – egal ob für den Verband oder ins eigene Geschäft – dann kann ich viel mehr erreichen, gestalten und mit Stolz betrachten.

Die Digitalisierung im Handwerk war der Anstoß zu diesem Blogbeitrag. Aus sehr vielen Vorträgen kenne ich die Bedenken und die Gegner der Veränderungen. Natürlich muss jeder Betrieb für sich entscheiden, ob er den Weg mitgeht. Ich kenne auch zahlreiche Betriebsinhaber, die keine Homepage haben und auch nicht wissen, wie ihr Unternehmen im Internet bewertet wird (und es wird bewertet werden!). Ich möchte aber eine Reflektion schaffen. Beobachten Sie bitte mal im Restaurant, beim Autofahren, in der Stadt, beim Sport oder auf der Toilette Menschen, was sie machen. Ich behaupte, dass über 90% mit dem Mobiltelefon daddeln – einschließlich meiner Person. Was suchen sie dort? Was machen sie? Welche Bilder werden verschickt? Welche Empfehlungen werden gegeben? Wie ist der Dialog? Welches Unternehmen ist beliebt? Warum? Schreiben die auch über mich etwas…?

All diese Fragen sollte man ganz still für sich und sein Unternehmen beantworten. Glauben Sie immer noch, dass sich nichts verändert hat? Ich möchte jetzt keine Bewertung abgeben, ob das alles von hoher Wertigkeit oder Lebenswichtig ist. Fakt ist aber, dass sich unser Einkaufsverhalten, Berufsbilder, gesellschaftliche Themen, Produkte und das Miteinander gravierend verändert haben. Wir können jetzt die Augen schließen, um den Weg nicht zu sehen und uns treiben lassen oder halbwegs mitschwimmen um zu erkennen, wo wir sind.

Dieses versuchen auch unsere Verbände und deren Mitarbeiter. Ich sehe jetzt deren Arbeit nicht nur durch eine „rosa Brille“. Auch mir geht einiges auf den Zeiger. Wir sollten die Verbände nicht zerschlagen, sondern stärken. Das wird immer wichtiger, weil zahlreiche Betriebsschließungen auch einen Mitgliederrückgang mit sich bringen. Aus diesem Spagat (Rückgang – Leistungsanspruch – Kosten – Forderungen) muss man versuchen einen pulsierenden Verband zu gestalten. Es kann auch sein, dass dieser Weg mit dem Abbruch alter Mauern geschehen muss. Gehen wir diesen Weg gemeinsam?

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