Schnitt gegen die Fleischfaser

Ich oute mich als großer Fan des Magazins „BEEF!“. Aufmachung, Themen, Fotos, Tipps und Hintergrundberichte haben ein großes Niveau und gefallen mir.
Als ich dann von der Veranstaltung „Beef! Live! – Butcher, Beer & BBQ“ gelesen habe, war mein Entschluss schnell gefasst, diese Veranstaltung in Hamburg zu besuchen. Als Location wurde die berühmte „Große Freiheit 36“ gewählt. Das passt alles zusammen – das Thema gutes Fleisch auf der ganz großen Bühne. Zudem waren in der Gästeliste sehr viele befreundete Kollegen/innen, die zahlreich nach Hamburg gekommen sind. Ich freute mich auf einen genussvollen Abend mit viel Harmonie, Fachgesprächen und vielen Informationen.
Ich bin also voller Erwartungen und mit viel Vorfreude zu diesem Event gereist. Schon lange vor Veranstaltungsbeginn standen viele Menschen vor den Türen und warteten auf Einlass. Ich war etwas verwundert, weil ich ganz ehrlich nicht mit so vielen Besuchern gerechnet habe. (Ausverkauft!) Mein Gedanke war nur. „Wie sollen die in der Halle 1000 Gäste bewirtet werden?“ (Ich war einige Stunden vor Beginn schon in der noch leeren Halle). Vorsorglich habe ich schon einmal etwas „Schnelles“ auf dem Kiez gegessen.
In der Halle haben wir Fleischer uns schnell gefunden. Einige kannte ich persönlich, andere waren mir nicht bekannt. Ich schätze, dass etwa 30 Kollegen vor Ort waren (viele von der Hamburger Fleischer-Innung). Im Vorprogramm spielten die Band „Boppin´B“…die Spannung stieg. Schon nach wenigen Minuten hieß es an der Theke. „Wir haben kein Craftbier mehr…nur noch Becks!“
Die Besetzung auf der Bühne war mit vielen Berühmtheiten aus der Branche besetzt. Ludwig Maurer, Sternekoch Wolfgang Müller und mein geschätzter Kollege Christoph Grabowski sind mir spontan sehr angenehm aufgefallen. Der „Star des Abends“ wurde hängend auf die Bühne geschoben: Die Rinderhälfte. Fachkundig wurde zerlegt, erklärt und alles gezeigt. Das ist natürlich aus Sicht eines Fleischermeisters nicht sooo sexy, aber in den Augen des Publikums sah ich schon sehr viel Interesse. Solche Zerlegungen habe ich schon vor ca. 30 Jahren mehrfach bei öffentlichen Veranstaltungen (Hausfrauennachmittag etc.) gemacht. Aber keiner der Teilnehmer hat uns dafür 28,00 Eintritt gezahlt… :-)
Foto: Waren alle Zuschauer zufrieden?

Im zweiten Teil des Abends wurde ein 40 – 50 kg schwerer Thunfisch auf die Bühne geholt. Der Fisch wurde fachgerecht von Sebastian Bruns (Deutsche See) zerteilt und zubereitet. Bestrichen mit einer Teriyaki Sauce wurde der Fisch mit einem Brenner abgeflämmt. Die Portionen wurden in kleinen Häppchen später verteilt. Ich hatte das große Glück, 50g von der Delikatesse zu bekommen.
Schon jetzt merkte ich sehr deutlich, dass im Publikum Unmut aufkam. Die Geräuschkulisse wurde deutlich höher und erste Gäste gingen auch schon. Eine Unterhaltung mit Kollegen war nur noch erschwert möglich. Die Gestik vom Beef-Chefredakteur Jan Spielhagen wurde immer ruhiger. Ich hatte das Gefühl, er wäre viel lieber nicht auf der Bühne und unsichtbar. Ich kenne das Gefühl, wenn eine Veranstaltung kippt und man nicht eingreifen kann. Die Moderatorin und weitere „Promis“ waren jedenfalls nicht sehr förderlich. Ich kann „Micky Beisenherz“ und „DasBo“ vorher auch nicht, aber für die sehr unqualifizierten Kommentare (… „Ein Hoden im Mund passt gut zur Reeperbahn!“…) habe ich mich fremdgeschämt. Die Moderatorin konnte im dritten Teil nicht das Heft wenden – im Gegenteil. Es entwickelte sich ein niveauloser Dialog zwischen den Gästen auf der Bühne. Gekochte Hoden mussten unter dem Applaus des Publikums von der blonden Schönheit probiert werden und nach „Pissel“ riechende Nieren wurden verarbeitet. Es wurden noch ein paar Burger mit Hoden hergestellt und gegrillt. (Warum unbedingt Hoden auf einem Burger müssen, kann ich nicht beantworten…) Viel Gäste hatten aber die Halle schon verlassen. Die Wurstproduktion wurde von den „Promis“ völlig veralbert. Schade. Das fand ich persönlich unterstes Schublade. Peinlicher kann man Lebensmittel nicht darstellen.
Mir tat Jan Spielberg und sein Vorbereitungs-Team wirklich leid. Monate lang wurde vorbereitet und ausgewählt und dann geht so ein erstes „Live-Event“ von Beef von in die Hose. Dabei ist das Thema hochwertiges Fleisch, Dry-Aged, Burger, Grillen, Steaks, Salze, Gewürze, neue Steaksorten, Erfahrungen von Profis, usw. so brandaktuell!
Ich der Halle soll es noch Burger (8.-€) und Bratwurst (4.- €) gegeben haben. Die Warteschlange war aber so lang, dass ich lieber günstigen Wein (0,2l – 6,00 €) getrunken habe. Persönlich gut gefallen hat mir der supernette Kaffeestand von „Orang-Utan Coffee“ und der Grillgerätestand daneben (Habe leider die Marke vergessen). Auch die vielen Gespräche mit Kollegen waren für mich wertvoll (auch wenn ich nicht alle getroffen habe).
Wir Fleischer haben die „Große Freiheit 36“ nach einer „Butcher, Beer & BBQ” – Veranstaltung hungrig verlassen. Auch die Steakhäuser in der Nähe hatten schon geschlossen. So hatten wir einen interessanten Abend, wo der Genuss leider auf der Strecke blieb.
Ich wünsche der „BEEF!“  und dem Chefredakteur Jan Spielhagen jedenfalls den Mut, sich nicht von einem „Fehlgriff“ beirren zu lassen. Nehmt für ein zukünftiges Event lieber „723 Leute“ weniger auf die Gästeliste und hebt das Niveau auf Magazin-Charakter an – für Männer mit Geschmack.

2 Reaktionen zu “Schnitt gegen die Fleischfaser”

  1. Bornheimer Küchenbanause

    Top, klasse Bericht! BEEF! kannte ich noch gar nicht… Danke dafür;-)

  2. Philipp

    War auch da und kann deinem Bericht – leider – nur zustimmen. Von BEEF hatte ich mehr erwartet…

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