Werden Schüler billig abgespeist?

Vor wenigen Wochen erhielten wir von einem Rektor einen Telefonanruf  (Haupt- u. Realschule) Die Schule plant im Rahmen der Ganztagsschule eine Schulmensa und damit die Verköstigung der Schüler. Er fragte an, ob wir bereit wären, die Mensa mit Essen zu beliefern. Die Antwort war in wenigen Sekunden gefällt: „Nein, auf keinen Fall!“
Der Rektor war „hörbar“ erstaunt über unsere superschnelle Absage. „Das ist ja eine klare Ansage! Darf ich nach den Gründen fragen?“

Wir befassen uns mit dem Thema Schulverköstigung schon sehr lange. Wir werden regelmäßig von Schulen angerufen, die uns gerne als Partner haben möchten. Entweder sie haben noch keinen Lieferanten, oder sie sind mit der Verpflegung vom jetzigen Partners völlig unzufrieden (das kommt häufiger vor)
Ich kenne die Vorgehensweise der verantwortlichen Lehrer schon ganz gut. Sinngemäß wird gesagt. „Wir haben 1200 Schüler und 120 Lehrkräfte, die jeden Mittag ein leckeres Essen haben möchten!“ Das von dieser hohen Zahl im Idealfall nur 4% ein Essen auch wirklich in Anspruch nehmen, ist kein Geheimnis mehr.
Ich spreche auch mit sehr vielen Kollegen über das Thema. Fast alle winken ab: „Lass die Finger davon!“ Es funktioniert nur, wenn man sich auch die Gruppe „Schulverköstigung / Mensaessen“ spezialisiert. Das wiederum bedeutet: Lebensmittel gnadenlos billig einkaufen (es geht hier halbe Centbeträge) und eine sehr straffe Portionsausgabe, die sich nicht an die Bedürfnisse der Kinder/Jungendliche richtet, sondern an die Gewichte auf dem Teller.

Wie soll das Mittagessen aussehen?
Von einem Kollegen habe ich dazu ein „schönes“ Beispiel gehört. „Du musst allen gerecht werden. Die Schüler wollen nur Pommes, Pizza und Nudeln. Ende. Die Eltern wollen es sehr günstig, gesund und abwechselungsreich. Die Lehrer möchten es möglichst in Bioqualität, regional und nach einem Qulitätsstandard. Das Finanzamt möchte den vollen Steuersatz von 19% auf das Essen (Hundefutter nur 7% MwSt.!) Die Kommune möchte sich mit einer funktionierenden Mensa rühmen. Die Mitarbeiter der Mensa möchten eine Anstellung für das ganze Jahr und nicht nur für 38 Wochen im Jahr (Stichwort Schulferien) Die Schüler gehen lieber zur örtlichen Gastronomie, weil hier das Angebot auf sie abgestimmt ist (Auswahl, typgerechtes Essen, Zeit, to-Go-Essen, mit Freunden essen, W-Lan im Lokal, Flucht vor der Schule, etc.) Muslime dürfen kein Schweinefleisch essen und die Kinder mit einer Allergie gegen gewisse Produkte.

Sie sehen schon, es ist nicht leicht dem gerecht zu werden. Schulessen soll möglichst nur 3,00 € bis 3,50 € je Portion kosten. Ziehe ich die Steuer ab, bleiben keine 3,00 € für ein komplettes Essen. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, muss also ein Essen in der Herstellung unter 1,00 € / Portion liegen. Es muss ja noch etwas für das Küchenpersonal, Geräte, Fahrzeuge, Entsorgung, Energie und Versicherungen übrig bleiben. Krankenhäuser haben das gleiche Problem in ihren Küchen.
Aus meiner Sicht ist es in dieser Form nicht machbar ein Mittagessen für unsere Kinder anzubieten, das: gesund, abwechselungsreich und frisch gekocht ist. Unsere Kinder werden also in Zukunft aus Zentralküchen mit Tiefkühlkost versorgt, welches in den Schulen dann aufgewärmt wird Das muss nicht schlecht sein (um die Kritiker zu besänftigen) – aber ökologisch und langfristig gesehen kann es so nicht gewollt sein.

Dass berühmte Köche die Schulverpflegung aufgenommen haben, finde ich gut (Johann Lafer, Jamie Oliver, etc.) So wird das Thema in die Öffentlichkeit geholt und kräftig diskutiert. Ich glaube, wenn wir es schaffen unseren Kindern eine ausgewogene Ernährung anzubieten, wird das Sozialverhalten, das Bewusstsein gutes zu Essen und die Übergewichtproblematik schnelle eine andere. Volkswirtschaftlich gesehen müssten wir sogar Geld sparen!
Bevor wir – die Gesellschaft, die Verantwortlichen, die Schulträger – hier keine Lösung erarbeitet haben, die für alle nützlich sind, sollten wir nicht den Fehler machen und eine Mensa nach der anderen eröffnen. (scheint eine Art „Volksport“ unter den Landkreisen geworden zu sein) Wir müssen den Focus beim Kind/Jugendlichen ansetzen und von hier beginnen das Thema aufzurollen. Heute stehen nur die Kosten im Mittelpunkt – nichts anderes!

Ich würde mich freuen, wenn das Thema Schulmensa wirklich ernsthaft angepackt wird und entsprechend umgesetzt wird. Ich befürchte jedoch, dass es kurzfristig nicht möglich ist, hier Veränderungen herbei zu führen. Zu viele Interessen prallen aufeinander – unsere Kinder werden es ertragen müssen.

Vielleicht kennen Sie eine Schule, in der eine Mensa vorbildlich funktioniert. Das würde mich sehr interessieren. Eine lebhafte Diskussion zur Schulverköstigung darf gerne beginnen.

9 Reaktionen zu “Werden Schüler billig abgespeist?”

  1. Barbara

    Ein interessanter Beitrag, allerdings muss ich dem Satz “Die Kinder wollen nur Pommes, Pizza etc” vehement widersprechen. Aus eigener Erfahrung (Sohn 13) weiss ich, dass er gerne etwas anderes essen möchte, aber das Angebot der Schulmensa sich auf wenig “richtig” gekochtes denn mehr auf Fixprodukte konzentriert. Sicherlich auch aus Kostengründen, aber auch weil es hier an Fachpersonal fehlt.
    Das ist insofern schade, als das hier für teuer Geld eine Mensa gebaut wurde, die nicht genutzt wird. Neueste Idee der Schülervertretung ist es, in besagter Mensa Mikrowellen aufzustellen um das mitgebrachte Essen von zu Hause aufzuwärmen. Der Wunsch nach “richtigem” Essen ist also von seitens der Schüler da….

  2. Theo

    Ich bin Kommunalpolitiker in einer Mittelstadt in Schleswig-Holstein. Hier hat man sich für die Mensen für einen dieser Großcaterer entschieden, mit dem Ergebnis: Es wurden für mehrere Millionen Euro Mensen gebaut bzw. saniert, doch das Essen ist so schlecht, dass weniger als 10% der Schüler in die Mensa gehen. Das Essen ist zwar konkurenzlos günstig, da die Stadt noch jedes Essen mit 1 Euro subventioniert, aber die Döner- und Pizzabuden sind immer noch deutlich beliebter…

    Bei uns in der Stadt kommt die Diskussion aber jetzt ein wenig ins Rollen, da eine Privatschule neu eröffnet hat, diese hat einen stadtbekannten Koch als Leiter der Mensa eingestellt und dort gibt es frischgekochtes Essen, welches von allen “gebucht” werden muss….

  3. 181/14: Linktipp: Fleischer Frese sagt uns, was Schulspeisung uns kostet und wovon er selbst lieber die Finger läßt… | gerichtspunkte.de – Rettet das Leibgericht!

    [...] kommen bzw. lieber nicht: Werden Schüler billig abgespeist? Antwort wohl: JA Sharen mit:FacebookTwitterGoogleTumblrE-MailDrucken Dieser Beitrag wurde unter Allgemein [...]

  4. Karsten

    Mhhhh….heikles Thema. Ich glaube, als Elter, Hobbykoch und Kantinengänger die Facetten recht gut zu kennen. Fest steht, dass ich mir auch kein Essen für 3,50 EUR brutto zutrauen würde. Selbst unsere Firmenkantine, die locker eine 5-stellige Anzahl Essen pro Tag herstellt wird vom Arbeitgeber subventioniert und erreicht diesen Betrag im Schnitt nicht (wenn man ein Vollständiges Menü inkl Getränk rechnet).

    Allerdings warne ich davor, Kindern einseitige Ernährungswünsche zu unterstellen. Das hängt immer schwer vom Elternhaus ab. Wenn das Thema Ernährung in der Schule eingebaut wird, steigt definitiv die Neugier auf Abwechslung.

    Ich denke, Schulspeisung lohnt sich nur bei einer Kombi aus Subventionierung und Skaleneffekten. Letztere sind meiner Meinung nach am schwierigsten, da insbesondere in den alten Bundesländern die Ganztagesbetreuung als Werkzeug für Rabeneltern zählt, die nicht ihr gesamtes Leben für den Nachwuchs opfern….

  5. Manuela

    Ein guter Artikel, unsere Tochter ist jetzt schon in der 2. Klasse und hat sich schon mehrmals über das Schulessen negativ geäußert – gut, dass sich auch Experten damit beschäftigen.

  6. opatios

    Ich erinnere mich, im Lokalteil meiner Tageszeitung wiederholt über Schulen mit Ganztagsbetreuung gelesen zu haben, wo erwähnt wird, dass die Mensen zu klein sind um alle Schüler aufzunehmen. Das hört sich nicht so an, als würde nur ein kleiner Bruchteil der Schüler das Angebot annehmen. Sicher kommt es dabei primär darauf an, ob die Schüler das Schulgelände während der Mittagspause verlassen dürfen oder nicht- und natürlich spielt die Qualität eine große Rolle.
    Für die Akten: Das bezieht sich auf Frankfurt am Main. Schulen mit Ganztagsbetreuung sind hier in letzter Zeit ziemlich gefragt und allein das von einem privaten Großcaterer bestellte und an die Schulen gelieferte Essen war mehr als ein Mal Thema in der Presse.

    Was den Kostendruck bei hohen Qualitätsforderungen angeht, kann ich nur vollkommen zustimmen. Gerade für einen Caterer, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, Spitzenqualität zu liefern, würde es einen erheblichen Aufwand (und Ãœberwindung!) bedeuten, zugunsten des Preises pro Mahlzeit Kompromisse einzugehen. Zumal sich der Aufwand unterm Strich auch noch rechnen soll. Wenn man dann das fertige Produkt nur noch “mit Bauchweh” den Betrieb verlassen sieht, ist die Frage berechtigt, ob das wirklich sein muss.

  7. Macros

    Hm…
    Keine Ahnung wie und woher die Mensa hier das Essen bekommt, irgendwann habe ich mal gelesen, sie haben am Tag 200 essen …

    3 Gerichte zur Auswahl (Vorbestellung! verbindlich) und wenn nicht bis 8 Uhr abgesagt wird, wird bezahlt…

    Essen okay, nichts berauschendes aber nichts grottenschlechtes (ausser die Pizza :-) )

    Kosten der Gerichte zwischen 2 und 4 Euro, seit 3 Monaten bieten sich auch eine kleine Salatbar und 3 grosse Salate an.

    Ich glaube so schlecht haben wir es nicht getroffen.

  8. Ludger Freese

    Herzlichen Dank für die vielen Kommentare. Ich stelle fest, dass dieses Thema sehr unterschiedlich gesehen wird. Auch die zahlreichen Kommentare via Facebook belegen das. In den Großstädten ist das Thema noch viel intensiver. Gestern konnte ich dazu einige Lehrpersonen befragen. In der Schule essen alle Schüler gemeinsam zu Mittag! (ca. 350 Schüler)
    Es gibt bestimmt viele schöne uns positive Beispiele, wie eine optimal Verpflegung aussehen könnte. Wichtig ist nur, dass wir mit Veränderungen einen guten Weg einschlagen.

  9. krassdaniel

    Und fernab der hier schon diskutierten Fragen stellen sich doch noch deutlich mehr Fragen:
    - Warum braucht jede Schule noch eine teure Mensa, wenn in Anbetracht des demographischen Wandels absehbar Schulen geschlossen werden müssen?
    - Wer zahlt die Folgekosten bzw. trägt das unternehmerische Risiko bei Eigenbetrieben?
    - Auch die Politik mischt mit: Bei uns im Landkreis gab es an einer Schule einen kompletten Mensa-Neubau: Küche und Gastraum. Hier wurde sofort eine städtische GmbH gegründet und betreibt nun die Schulgastronomie mit eigens eingestelltem Personal. Nach haushaltsschonenden Varianten wie z. B. einer Verpachtung an einen Partyservice o. ä. wurde gar nicht gesucht und war wohl auch politisch nicht genehm.
    - Warum brauchen wir eine Zwangsbespeisung? Aus der eigenen Familie weiß ich, dass selbst die Kinder überhaupt keinen Bock auf jeden Tag Mensaessen haben und auch durchaus mal mit einem Pausenbrot zurecht kommen.
    - Warum erhalten Eltern, die ihre Kinder nicht versorgen, hierfür dann noch den vollen Satz an Sozialleistungen?

    und so weiter und so fort.

    Aber solange es politisch gewollt ist, Ganztagsschulen auszuweiten, wird auch wohl der planlose Mensaausbau weitergehen – Baukostenförderung durch Bund und Länder sei dank, aber auf den Betriebskosten bleiben dann im Zweifel die blanken Kommunen sitzen? Das kann doch Gesellschaft nicht gewollt sein.

Einen Kommentar schreiben