Aus für Hygiene-Ampel

Über die Hygiene-Ampel kann man aus Verbrauchersicht ja eine positive Einstellung haben und die Einführung begrüßen. Sie ist jedoch aus meiner Sicht nicht zu Ende gedacht und hat noch viele zum Teil gefährliche Risiken, die ganze Existenzen kosten können.

Die Ampel sollte in Restaurants kommen, weil der Verbraucher eine größere Transparenz in Sachen Lebensmittelsicherheit wünscht. Aus meiner Sicht verständlich, aber die Qualifikation vieler Inhaber ist nicht gegeben und somit ein viel größeres Übel. Das „Frikadellen-Abitur“ (einige Stunden Vortrag bei der Behörde) kann nicht reichen, um zu lernen, wie man mit Lebensmittel umgeht und welche Gefahren hier entstehen können.

Ein weiteres großes Manko ist die Kontrolle durch die Veterinärbehörde. Schon heute werden die Betriebe nicht alle regelmäßig besucht, weil Personal fehlt. Oft werden nur die „bequemen“ Betreibe aufgesucht, wo alles in Ordnung ist. Das spart dem Prüfer Zeit und Ärger. Restaurants wo kaum ein Verantwortlicher zu greifen ist, oder wo dem Prüfer gedroht wird, werden gerne umgangen.
Wie soll hier eine Hygiene-Ampel einführt werden, wenn sie das HACCP für ein neues Handymodell halten? Eine lückenlose Einführung bei allen Betrieben wird Jahre dauern.
Darum begrüße ich es, dass die Ampel nicht eingeführt wird…

Es wird – Ampel ja oder nein – immer Betriebe geben, die sauber, gewissenhaft und gut arbeiten und andere, die denen alles völlig egal ist. Der „Ampelprüfer“ ist also in Zukunft der Herr (oder die Dame) wie der Betrieb wirtschaftlich überlebt. Es kann ein Ansporn sein, dass hier nachgeholt wird, es kann aber auch sein das gute Betriebe unglücklicherweise falsche beurteilt werden. Die Prüfung ist eh subjektiv und kann kaum an feste Faktoren gemessen werden.
Es war geplant, die Ergebnisse einer Prüfung ins Netz zu stellen – das kommt einem modernen Pranger gleich. Selbst wenn ein Betrieb es schafft, nach einem Jahr die negative Ampel umzuschalten, wird der Verbraucher sein Urteil für immer gefällt haben und das Restaurant umgehen.

Christian Rach, seines Zeichens «Rach, der Restauranttester», sieht die Hygiene-Ampel als völlig überzogen: «In deutschen Krankenhäusern sterben jedes Jahr 30 000 Menschen an Keimen. In den letzten 30 Jahren ist aber niemand an den Folgen eines Restaurant-Besuchs gestorben. Es gibt hier überhaupt keinen Handlungsbedarf» (Quelle: http://www.gastronomieguide.de/blog)

Um hier kein falsches Licht zu setzen: Ich halte Hygiene für sehr wichtig und sie wird auch in unserem Betrieb aktiv gelebt. Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance – und das aus sicht des Kunden und des Prüfers. Der Kunde/Verbraucher entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg eines Betriebes. Und dazu gehören tolle frische Ware, Ausbildung, Weiterbildung, Erfüllung aller gesetzlichen Anforderungen und Hygiene dazu und nicht an einem Tag, sondern Tag und Nacht an 365 Tagen im Jahr. Das dies nicht immer klappt ist logisch und menschlich – eine Ampel wird hier aber nicht die Lösung sein. Der Kunde bildet sich eh ein Urteil – immer und ständig!

Wie könnte es besser gemacht werden?

  • Die Prüfberichte der Veterinärämter in einem Betriebsbuch öffentlich ausgelegen – ohne Ampel.
  • oder genau anders herum: Das Veterinäramt gibt einen bundeseinheitliche Meßlatte heraus (was in Deutschland schon schwer sein wird) An dieser „Erfolgsleiter“ kann sich der einzelne Betrieb Stufe für Stufe nach oben arbeiten. Ist eine gewisse Höhe erreicht, kann der Betrieb das werblich nutzen und seinen Hygienestand freiwillig bekannt geben. Diese Leiter kann übers Internet erklommen werden und wird von den Behörden nur noch nach der tatsächlichen Stufe kontrolliert

Die „Hygiene-Ampel“ ist vorläufig in Deutschland ausgestellt worden. Die gemeinsame Arbeitsgruppe der Wirtschaftsministerkonferenz und der Verbraucherschutzministerkonferenz haben das so beschlossen. Ich finde, es nach einer innovativen Lösung gesucht werden, die sich im Föderalismus auch umsetzen lässt. Wenn dann eine europäische Lösung angestrebt ist, wird das Chaos perfekt sein.

3 Reaktionen zu “Aus für Hygiene-Ampel”

  1. Carsten Peter

    Vielen Dank für die guten Einblicke in einen Bereich, der dem normalen Bürger meistens verschlossen bleibt.

    Interessant ist, dass offenbar Prüfer “unangenehme” Betriebe am liebsten umgehen. Ich kenne das von der Parkraumüberwachung des Ordnungsamtes. Die müssen sich manchmal auch eine Begründung einfallen lassen, warum sie einem halben Straßenzug Strafzettel verpaßt haben, bis auf einen Wagen mit ukrainischem Kennzeichen und einem Auto von einem stadtbekannten Schläger.
    Also läuft das bei Veterinärämtern ähnlich!?

    Ich kann Ihre Gedanken bezüglich Pranger sehr gut nachvollziehen und finde Ihre Idee mit der Erfolgsleiter glänzend. Es wäre wünschenswert, wenn diese Innovation in die Entscheidungsprozesse des Gesetzgebers einfließen könnte!

  2. URS

    Bei einigen Restaurants und Imbissbuden erhasche ich mal Blicke durch geöffnete Türen in Küchen und Vorratslager. Das Ergebnis geht von “Boah, sauber!” bis zu “Oh, oh! Kann ich meine Bestellung stornieren und einfach hier raus?”

    Ich hatte die Ehre, einen Blick in Eure Küche und einige andere Räume werfen zu dürfen. Da ist alles blitzblank und sauber.
    Das sehe ich auch immer wieder in Euren Filmen und Fotos.

  3. krassdaniel

    Die Werbe-Lösung gibt es hier durchaus schon: Wenn der Betrieb die Prüfung besteht, kann mit einer Art Gütesiegel geworben werden, dass dieser Betrieb die Prüfung ohne Beanstandung geschafft hat – dort ist die Ampel auch nicht ganz weg, denn das “Positiv-Siegel” ist grün :)

    Problematisch ist an der Ampel aus meiner Sicht insbesondere auch, dass man, wenn man konsequent ist, alle Roten Ampeln schließen und alle gelben Ampeln stark kontrollieren müsste. Ob die Behörden das schaffen, darf bezweifelt werden. Einfacher wäre dann tatsächlich, einfach nur die Ampel verpflichtend ins Fenster zu hängen – wenig Kontrolle, keine lästigen Verwaltungsverfahren oder sogar Klagen. Von daher gesehen finde ich die Handhabung mit dem “Positiv-Siegel” eigentlich ganz gut: Betriebe, die gut arbeiten, können sich positiv positionieren – und Betriebe, die das nicht schaffen, müssen dann entsprechend gründlich geprüft, kontrolliert und überwacht und im Fall der Fälle auch konsequent stillgelegt werden.

    Und wie Ludger auch anspricht: Auf einer Ebene tiefer müsste auch bei der persönlichen Qualifikation angesetzt werden: Bei “Schmuddelkindern” und Wiederholungstätern sollte das Ziel sein, dass diese zeitweise oder grundsätzlich nicht ihre Tätigkeiten ausüben dürfen, wenn sie die Hygiene nicht erntnehmen. Das bedeutet, dass schon im Vorfeld ein größerer Wert auf Hygieneausbildung und -schulungen gelegt werden muss und die Kontrollen und Ãœberwachung in diesem Bereich konsequent erfolgen muss. Es darf ja nicht sein, dass bspw. durch einen Umzug in einen Nachbarort ein Problembetrieb nur verlagert und nicht beseitigt wird.

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