Standard oder kein Standard

Foto: Standardgericht oder ein mit “Sachverstand erstelle Speise” ?

Zurzeit arbeiten wir mit Hochdruck an unser neues Exposé „Essideen“ für den Partyservice. Unsere jetzige Liste ist in die „Jahre gekommen“, wie es so schön heißt. Es werden tolle neue Buffets dazu kommen und andere Buffets werden modifiziert. So wird sich – wie in der Vergangenheit geschehen  – die regionale Branche an unsere Liste ausrichten können.

Die jede List hat jedoch einen doppelten „Bumerang“, der sich erheblich auf die Preisliste auswirken wird. Die übliche Teuerung ist die eine Sache, für der jeder Kunde Verständnis hat. Wir werden sogar oft angerufen: „Ist die Liste aus dem Jahr 2009 noch aktuell…?“ Was jedoch dazu kommt, ist eine Erhöhung von den Finanzämtern. Sie fordern nach einem Urteil eine Änderung der Speisen und Gerichte von 7% MwSt. auf den vollen Steuersatz von 19% MwSt.
Bisher war es so, dass ein Partyservice-Auftrag mit 7% versteuert wurde, Wenn jedoch eine Dienstleistung (Personal) oder Geschirr mit geliefert wurden, wird der gesamte Auftrag mit 19% verrechnet. Das konnten wir mit unserer EDV leicht darstellen. Da die Preislisten immer den Bruttopreis (inkl. Steuer) ausweisen müssen, hatten wir die Preise alle mit 7% MwSt. berechnet.
Im Urteil heißt es: „Werden dem Kunden dagegen speziell und aufwändig zubereitete und aufeinander abgestimmte Nahrungsmittel geliefert, überwiegt der Dienstleistungscharakter. folge: Für solche „sonstigen Leistungen“ müssen 19 Prozent Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt werden!“ (BFH, Urteil v. 23.11.2011, Az. XI R 6/08 veröffentlicht am 25.01.2012, EuGH, Urteil v. 10.03.2011, Az. Rs. C-497/09)

In dem ganzen Urteil stößt sich die Fachwelt an dem Begriff „Standardspeisen“. Werden nämlich „Standardspeisen“ geliefert, bleibt es bei 7% MwSt. Was aber sind „Standardspeisen“? Das Gericht sagt: Frikadellen, Kotelett usw…! Es gibt aber durchaus Betriebe, bei denen z.B. Frikadellen DAS kreativste Objekt ist, in dem sie den gesamten fachlichen Sachverstand einbringen und viel Arbeit mit haben! „Standardspeisen“ ja oder nein? Wie ist es mit belegten Brötchen? „Standardspeisen“ ja oder nein? Wie ist es mit einem Eintopf? „Standardspeisen“ ja oder nein? Wie ist die „heiße Theke“ mit Fleischkäse, Haxen und Hendl zu bewerten? „Standardspeisen“ ja oder nein? Wie ist eine einfache Aufschnittplatte mit Wurst, Schinken und Käse zu bewerten? [...speziell und aufwändig zubereitete und aufeinander abgestimmte Nahrungsmittel..] „Standardspeisen“ ja oder nein?
Sie sehen also, bei sehr vielen Produkten die wir bearbeiten, ist eine dickes „? -Zeichen“ auf der Stirn. Nicht wirklich Glücklich, was die Gerichte da entschieden haben.

Damit hier kein Eindruck entsteht, dass wir keine Steuern zahlen möchten und wollen  (obwohl, wer macht das schon gerne :-) ), mir geht es um eine glasklare Linie für alle Kollegen und Verbraucher. Dieses „ein wenig schwanger“ geht ja gar nicht… Warum nicht einfach: Alles war verzehrsfertig für den Endverbraucher zubereitet ist: 19% MwSt. – Ende! Damit bleiben die meisten Grundnahrungsmittel bei 7% Mehrwertsteuer.
Obwohl noch keine eindeutige Rechtssicherheit in der Sache besteht, werden wir die Erhöhung mit den 19%igen Steuersatz durchführen… außer bei „Standardspeisen“…aber wer isst schon Standard?

9 Reaktionen zu “Standard oder kein Standard”

  1. Gi @ FoodChomp

    Das mit der Erh̦hung des Steuersatzes ist wirklich schwierig Рglaube, das wird viele Probleme bereiten.

  2. Ludger

    @Gi,
    stimmt! Hatte heute schon die erste Diskussion mit einer Kundin, die 250 Personen erwartet. Komme mir vor wie ein Steuerberater, der die Steuern erklären muss.

  3. Marco Haag

    Wir haben auch schon heiße Diskussionen im Büro, da wir unseren Katalog auch am neu erstellen sind. Manchmal weiß sogar der Steuerberater nicht was für einen Steuersatz richtig ist. Toll oder!

  4. Mike

    Lieber Ludger,
    das ärgert so manchen Gastronomen. Ich schriebe zukünftig Angebote und Preislisten mit Netto- und Bruttopreisen bei jedem Artikel. So weiß der Kunde auch, dass bei knapp einem Fünftel des Essens das Finanzamt mit am Tisch sitzt.

  5. Soso

    Ja aber so ist das nun einmal. Der Staat kann nur bestehen wenn die Kassen mit den Geldern der Steuerzahler gefüllt wird. Das muss sein ansonsten könnten wir auch in einer Anarchy leben. Aber ja bei Lebensmitteln ist das schon etwas merkwürdig. Bei Unterhaltungsgütern kann ich es gut verstehen.
    Viele Grüße

  6. Rainer Prüm

    Eine Netto- Brutto Preisliste halte ich auch für vernünftig. Sowohl aus Transparenz- als auch aus Mitbewerbergründen. Vielleicht könnte man noch das “Leistungs-Drumherum” des Angebots etwas aufhübschen und ausmalen. Damit die handwerkliche Leistung, der Genuss, die Qualität und das Engagement für den Kunden im Vordergrund steht und nicht so sehr der Preis dafür. :-)
    Gruß Rainer

  7. Manu

    Es ist ja so wie immer, Steuern werden an der falschen Stelle reingeholt, während an anderen Stellen Vergünstigungen ausgeteilt werden.

  8. Clara

    das ist wohl war, letztendlich zahlt ja der Verbraucher alles was die Politiker ausgeben, ist schon irgentwie Ironie dabei. Bei dem ganzen Durcheinander mit den Steuersätzen und ständigen neuen Änderungen will man den Verbraucher verwirren!

  9. krassdaniel

    Auch auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen:

    Erst einmal danke an Ludger für die wertfreie Schilderung des Problems. Insbesondere nach der Currywurst-Steuerdebatte war im Internet enorm viel dummes Zeug zu lesen – hier wird sachlich fundiert das Problem eines Kaufmanns geschildert.

    Die Frage der Mehrwertsteuer ist ein kaum zu übertreffendes Beispiel dessen, was in Deutschland falsch läuft.

    Aus sozialpolitischer Sicht macht ein ermäßigter MwSt-Satz natürlich Sinn – der notwendige Konsum soll priviligiert werden. Eine soziale Wohltat wie diese bedeutet aber, und das ist die “Rückseite” der Medaille, dass dadurch ein Bruch im System erzeugt wird: Es entstehen Abgrenzungsschwierigkeiten und Lücken, die nun die Praxis schließen muss, d. h. Finanzämter und Steuerzahler (und deren Vertreter) sowie nachgeordnet die Richter. Abgrenzungsprobleme gäbe es dann nicht, wenn auf alles einfach nur ein Satz erhoben würde (“Flat Tax”) – keine Diskussion, ob die Currywurst im Stehen konsumiert wird, die McDonalds/Burgerking-Bestellung zum Mitnehmen ist oder ob das Buffet Standard ist oder nicht. Die Ineffizient und Reibungsverluste, die hierdurch entstehen, sind politisch gewollt – ob das allerdings sinnvoll ist, ist durchaus fragwürdig. Angenommen, es gäbe einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz, der niedriger angesiedelt wird als der heutige: Die Mehrbelastung für Lebensmittel dürfte eher gering ausfallen, da die Deutschen traditionell wenig für LM ausgeben (rund 10 – 15 % des Einkommens). Für den sozialen Ausgleich könnte eine auffangende Hartz4-Erhöhung sorgen, für Eltern mit Kindern ein geringfügig höheres Kindergeld. Die Mehreinnahmen durch die Steuererhöhungen auf die vorher ermäßigten Kategorien sollten so verteilt werden, dass aufkommensneutral der einheitliche Steuersatz abgesenkt werden kann. Darüber hinaus resultierende freiwerdende Mittel wären ein direkter Gewinn für beide Seiten: Weniger Bürokratie und ggfs. Kosten (Steuerberatung, Rechnungslegung und dgl.) auf Seiten der Unternehmer, freie Kapazitäten in den Finanzämtern und Ministerien, die sich bislang nur mit den Reibepunkten beschäftigt haben – diese können sich dann vordringlicheren Aufgaben zuwenden (Bekämpfung der Steuerhinterziehung, Umsatzsteuerkaruselle), anstatt sich damit abzuquälen, ob auf Zuchtesel 7 oder 19 % anfallen (http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-56474-2.html). Das würde die Bürokratie in Deutschland mindern, ein einfacheres und besser kontrollierbares Steuersystem schaffen und letztlich allen Bürgern nützen. Das fordert in Deutschland eigentlich nur eine Partei, die sich zugegebener maßen in den letzten Jahren in Punkto MwSt nicht mit Ruhm bekleckert hat: Die FDP.

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