Ein Hygienebarometer – Segen oder Fluch?

Foto: Das Hygienebarometer solle Kunden helfen – auch den Unternehmer?

In Niedersachsen ist die Einführung einer „Hygienebarometer“ geplant. Ziel soll es sein, dass der Verbraucher anhand eines Symbols beim Betreten des Geschäfts / Restaurants erkennen kann, wie es um die Hygiene des Betriebes bestellt ist. Wenn also ein „grünes Männchen“ lacht, heißt das: alles ok. Super hier. Eine “gelber Bursche“ mit ernster Miene:  naja…so alles ist nicht ok., aber man ist bemüht etwas anders zu machen. Ein “roter Teufel“ der böse schaut: Nee, lieber Kunde, hier gehe lieber nicht rein.
Was ich hier so humorvoll beschreibe, kann u.a. einem Betrieb die Existenz kosten, weil die Kunden wegbleiben. Sie werden zu Recht anmerken: „Ja, aber ein Lebensmittelunternehmer muss doch immer alles sauber und perfekt haben!“ Stimmt, aber nicht alles im Alltag läuft rund: Mitarbeiter die keine Lust haben oder einen schlechten Tag. Lieferanten die mangelhafte Ware geliefert haben. Ein technischer Defekt, der nicht sofort bemerkt worden ist…usw.
Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Christian Meyer (Grüne), möchte in einer Projektgruppe mit Vertreterinnen und Vertreter kommunaler Behörden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums, sowie der Verbraucherzentrale Niedersachsens, die ein Pilotprojekt starten. Darin sollen Erfahrungen gesammelt werden, die eine Umsetzung im Herbst 2017 realisierbar machen. Folgende Betriebskategorien sind davon betroffen: Gastronomie, Einzelhandel, Fleischereien und Bäckereien (Verkauf), Gemeinschaftsverpflegungen, Bäckereien, Konditoreien und Fleischereien mit eigener Herstellung. Unternehmerverbände können Ihre Überlegungen mit einfließen lassen.

Ich möchte meine Fragen zum Hygienebarometer gerne stellen – obwohl das im Ministerium sicherlich keiner lesen wird.

1.    Wenn ein Aushang des Hygienebarometers nicht verpflichtend ist, warum der ganze Aufwand? (Die Guten zeigen sich, die anderen werfen die Bescheinigung weg…)
2.    Das Oberlandesgericht in Münster hat den Testlauf für ein Hygienebarometer gekippt, weil es zu oberflächlich ist. Hat man aus dem Urteil nichts gelernt? Hat man mit den dortigen Behörden in Nordrhein-Westfalen gesprochen?
3.    Ist Hygienebarometer landesweit schon im Einsatz?
4.    Wird es in anderen europäischen Ländern eingesetzt und ist das Gesetz konform mit Europäischem Recht?
5.    Wer zahlt den Kontrollaufwand der Behörden?
6.    Es ist zunächst eine freiwillige Teilnahme geplant. Wird die Regelung später verpflichtend werden?
7.    Sind die Behörden personell für die Hygienebarometer-Aufgaben ausstattet und geschult?
8.    Kontrollen sind meistens subjektiv. Ein Mangel kann also auch zur Diskussion führen. Wer entscheidet im Streitfall?
9.    Wie lange bleibt eine negative Bewertung (roter Teufel) bestehen?
10.    Habe ich als Betrieb die Möglichkeit kurzfristig nachzubessern? Wie schnell sind hier die Behörden?
11.    Gehören „Hofläden“ und „Biohöfe“ auch in die Betriebskategorie?
12.    Warum sitzen in der Projektgruppe keine Unternehmer?
13.    Entmündigen sie den Verbraucher ein wenig, wenn ihm „vorgegaukelt“ wird, dass ein „grüner Smylie“ gut ist, obwohl es z.b. sichtbar unhygienisch in dem Betrieb zugeht?
14.    Wird eine Bäckerei mit z.B. 30 Geschäftsstellen jeweils einzeln bewertet, oder gibt es für den gesamten Betrieb ein Siegel?
15.    Wie werden Schausteller bewertet und wohin kleben Sie ihren Aushang? (Zelte, Wurststände…)
16.    Wochenmärkte haben ihre eigene Dynamik. Werden auch hier dieselben Maßstäbe angesetzt?
17.    Wie greift die Regelung bei wiederkehrenden „gemeinnützigen“ Veranstaltungen (Adventskaffee der Landfrauen, kirchliche Feste mit Verkauf…)
18.    Gibt es in der Landesregierung zum Thema Hygienebarometer eine einheitliche Stimme, oder ist der Koalitionspartner möglichweise anderer Meinung (Stichwort: Landtagswahlen)

19.    Warum werden wir immer mehr durch Gesetze und Verordnungen gemaßregelt, obwohl jeder Lebensmittelunternehmer ein Eigeninteresse daran hat, dass alles hygienisch einwandfrei ist?

20.    Hätte die Einführung eines Hygienebarmeters nicht viel mehr Erfolg (und hätte auch schneller eine Verbraucherapzektanz) wenn man auf einen Belohnungsmodus für die Betriebe umsetzt? Wer viel und schnell alles umsetzt, wird vom Staat belohnt. Mit Speck (Geld, Vorteile…) fängt man Mäuse.

21.  Wurden mögliche Risiken (Betriebsschließungen, Mitarbeiterentlassungen, Insolvenz) aus Unternehmersicht beleuchtet?

Diese Fragen habe ich in sehr kurzer Zeit zusammengetragen. Es schließt das Thema sicherlich nicht ab und wird auch noch für viel Diskussionsstoff sorgen. Es zeigt mir aber, dass man nicht alles per Verordnung anderen zuschieben kann. Für mich gehört Hygiene, Verantwortung, Gesundheit und Transparenz zu meinem Unternehmen. Darauf sind wir in unserem Betreib auch ein wenig stolz!

2 Reaktionen zu “Ein Hygienebarometer – Segen oder Fluch?”

  1. Isabell Dohm

    Hallo lieber Ludger,

    einige Deiner Fragen kann ich Dir bereits beantworten:
    Natürlich haben wir mit den Behörden in NRW gesprochen! Doch bis gestern fehlte uns jede Information, wie das ganze geplant ist. Seit gestern haben wir ein fertiges Konzept vorliegen….ohne dass wir vorher informiert worden wären, dass überhaupt daran gearbeitet wurde…

    Nach unserem Wissen (Flurfunk) soll es freiwillig erst in einigen Landkreisen eingeführt werden – in Braunschweig zum Beispiel. Stichwort: Pilotprojekt. Konkret wissen tun wir es nicht.

    Es soll keinen zusätzlichen Kontrollaufwand geben – es ist das Ergebnis der ohnehin notwendigen Kontrollen, also keine zusätzlichen Kosten. Wer´s glaubt…

    Ich gehe davon aus, dass die Regelung, so sie denn dann irgendwann genug getestet und durch die Gerichtsinstanzen gegangen ist, verpflichtend wird.

    In NRW hat man gesagt: “Sie haben ja nichts zu befürchten” – warum dann überhaupt der Aufwand????

    In NRW bleibt der “rote Teufel” nach aktuellem Stand von letzter Woche 6 Wochen stehen – innerhalb dieser Zeit kann nachgebessert werden. Ursprünglich waren hier 3 Monate für angesetzt…

    Die Frage, warum in der Projektgruppe keine Unternehmer sitzen, kannst Du Herrn Meyer gerne nächste Woche im Ministerium stellen – ich hoffe, dass der Laden rappeldicke voll wird und er sich vor Fragen nicht retten kann…

    Wie sagt man doch so schön: Klappern gehört zum Handwerk! Das wollen wir nächsten Mittwoch wörtlich nehmen ;-) ))

    Liebe Grüße Isabell Dohm
    Fleischerverband Niedersachsen-Bremen

  2. Ludger Freese

    Liebe Isabell,
    herzliche Dank für die ausführliche Darstellung meiner Fragen. Das Thema bleibt spannend und wird sicherlich noch für viel Diskussionen sorgen. Schön, dass wir Fleischer Dich an unserer Seite haben!

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