Was ich bei einer Partyservice-Auslieferung erlebte

Lesezeit: 4:30 Min. – Komme gerade von einer Auslieferung zurück, bei der ich eine russische Siedlerfamilie beliefert habe. Die „Oma“ in der Küche war göttlich. Sie stand dort mit einer blauen Wickelschürze, Kopftuch, Wollsocken, schwarzen Gummischuhen und roten Wangen. Sie strahlte wie eine Matrjoschka. Die kleingewachsene Frau nahm mich draußen vor der Tür schon in Empfang. Ich trug den Suppentopf. „Vorsicht Treppe!“, sagte sie mir. Dabei meinte sie eine kleine Stufe zur Küche. Die Küche war sehr einfach eingerichtet. Betonfußboden, alte Geräte, ein Schrank an der Stirnseite des Raumes, wo auch ein klitzekleines Fenster Tageslicht in den Raum lies. In der Mitte des Raumes war ein großer Esstisch, der wie bei Russen üblich, sehr üppig dekoriert und gefüllt war. Es saß niemand an dem Tisch. Die Frauen waren im Vorraum der Küche, und die Männer standen auch zusammen. Das sehe ich bei russischen Feiern sehr oft so. Die Küche erinnerte mich an meine Kindheit. Da hatten wir eine „Waschküche“, die auch so aussah. Der Geruch und auch die niedrige Deckenhöhe waren fast identisch.

Die „Oma“ kochte selber auch noch etwas. Das Kochfeld war voller Töpfe. Sie zog einen Topf zur Seite, damit ich für die Suppe Platz hatte. Der Topf war mit einem Aluminiumdeckel. Solche alten Töpfe habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Sie bedankte sich mehrfach für das gelieferte Essen. Der Hausherr kam dazu. „Haben Sie Geburtstag?“ „Ja, ja“, antwortet er. „50 Jahre!“, wiederholte er mehrfach. Meine Schätzung über sein Alter passte aber nicht mit der „50“ überein. Vielleicht meinte er seinen 50.Hochzeitstag… Seine Hände zeichneten ein arbeitsreiches Leben und waren von der Sonne stark gebräunt. Er muss früher viel draußen gearbeitet haben. Eine zweite Frau in der Küche half der „Oma“ bei der Küchenarbeit. Sie sprach aber keinen Satz und schaute nur sehr skeptisch. Im gebrochenen Deutsch und singender Stimme sagte „Oma“ zu mir: „Sie sollen auch mal wissen, wie wir kochen! Ich gebe ihnen hausgemachtes Sauerkraut mit. Prooooobiieren Sie!“ Sie holte einen gebrauchten Salateimer. Ihr Gang war schwankend und langsam. Sie stützte sich überall ab, weil sie nur schwer gehen konnte. Man konnte sehen, dass auch sie in Ihrem Leben viel gearbeitet hat. Der Eimer mit Deckel war gefunden. Sie gab mir reichlich Sauerkraut und Rindfleisch ins Döschen. Ich dachte nur: „Für wen soll das ganze Sauerkraut sein?“ Sie drücke den Deckel fest zu und verstaute alles in eine „Rossmann“-Tüte. „Hier Herr Freese! Das müssen Sie probieren! Wir machen alles selber. Es wird ihnen schmecken!“ Ich hielt den Beutel in der Hand. Dazu überreichte Sie mir noch eine Packung Pralinen. „Weil sie immer so gut kochen! Ich weiß das!“ Ich hatte die Frau vorher noch nie gesehen. Herrlich – so eine Herzlichkeit. Ich war etwas verlegen, weil ich so etwas noch nie erlebt habe.

Obwohl sie wirklich nicht in Reichtum lebten und sehr bescheiden wohnten, geben Sie mir ein Essen für eine ganze Familie mit! Der „Opa“ lachte ganz freundlich, so dass man seine schlechten Zähne sehen konnte. Beide begleiten mich zur Tür. Alle Türen waren so niedrig, dass ich meinen Kopf einziehen musste. Eine lange Verabschiedung folgte, mit vielen Wünschen und Gesundheit. Auf der Rückfahrt war ich ganz entspannt und losgelöst. „Was war das denn gerade…”, dachte ich mir. Auf der ganzen Fahrt hatte ich ein Grinsen im Gesicht. Das ist mir aber erst rückblickend aufgefallen. Zurück in der Küche haben wir das Sauerkraut gleich probiert, weil es noch heiß war. Lecker! Ganz anders wie wir es kennen, aber einmalig lecker! Dazu habe ich mir ein kleines Nackensteak gebraten und beides mit viel Genuss und Dankbarkeit gegessen.

Oft sind es die kleinen Dinge im Leben, die einem helfen und nutzen. Man muss sie nur erkennen und dafür dankbar sein. Diese Lieferung war jedenfalls sehr schön und eine kostbare Begegnung. Danke für den Moment.

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