Der Charakter einer handwerklichen Wurst und deren Hintergründe

Aroma, Duftmarke, Charakter, Handwerk, persönliche Note, Geräuchertes vom Meister…einige Attribute, mit denen man gute Wurst beschreibt. Mir ist heute morgen im Laden aufgefallen, dass gerade geräucherte Wurst, die frisch aus dem Kaltrauch kommen – ein unglaubliches Aroma haben, dass viele Kunden nicht mehr kennen oder es die Nase gar nicht mehr aufnimmt. Foto von links: Pfefferbeißer, geräucherte Delikatess Leberwurst, grobe Streichmettwust, feine Streichmettwurs (im Anschnitt), Kohlpinkel, Kochmettwurst

Die meisten Discounter und Supermärkte bieten nur noch verpackte Wurst an. Das mag praktisch sein, es mag Vorteil haben, es entstehen beim Einkauf keine Wartezeiten, die Nährwertangaben und das Mindesthaltbarkeitsdatum ist auf der Verpackung und die Ware ist optisch jede Woche gleich und ist viel länger haltbar…
Doch wollen Sie das eigentlich?

Wenn ich mit Leuten über unser Handwerk spreche, dann wird immer propagiert, dass die Wurst und das Fleisch beim örtlichen Fleischer/Metzger gekauft werden. Die Realität sieht aber anders aus. Ich möchte daher die Gelegenheit einmal nutzen und die obengenannten „Vorteile“ ein wenig zu entkräften. Unsere Wurst ist handwerklich hergestellt und keine Massenware, bei der oft der Einkaufspreis das Hauptargument ist. Wir produzieren in den eigenen „vier Wänden“ – der Transportweg beträgt max. 12 Meter und nicht 1200 km (oder mehr) wie die Ketten es machen müssen. Unsere Wurst hat eine persönliche Note, die ganz individuell auf uns und auf den Geschmack unserer Kunden abgestimmt ist. Das entsteht im Dialog mit Kunden, bei Gesprächen, Verköstigungen und mit der persönlichen und ehrlichen Frage: „Hat es Ihnen geschmeckt?“ Bei uns kann man auch zwei Scheiben kaufen und muss nicht die verpackte größere Einheit kaufen. Wir portionieren die Waren wie Sie es möchten! Wir beraten, fragen, wiegen, lassen probieren, geben Ihren Kindern eine Probe und bringen die Tasche zu Ihrem Auto (wenn gewünscht).

Die handwerkliche Wurst verzichtet weitgehend auf Zusätze, weil unsere Ware unter persönlicher Beobachtung in unserem Haus steht. Wir verkaufen sofort – ganz frisch und bauen keine große Logistik für den Vertrieb auf. Wir verpacken die Wurst umweltschonend mit Papier oder einfachen Folien. Schutzgase die dem Kunden eine optische Frische vortäuschen, sind für uns ein Tabuthema. Wir kaufen unsere Lebensmittel in der Region ein. Mit einem Radius von nur 50 km um unseren Betrieb, decken wir fast alle unsere Güter ab! Wir beschäftigen Menschen aus der Region, die ihr dort verdientes Geld auch zum Großteil in der Region lassen. Wir bilden Ihre Kinder aus, damit sie einen Beruf erlernen. Wir bringen uns ehrenamtlich und sozial in die Gemeinschaft der Region ein, was ich von großen Handelketten noch nie bemerkt habe. Wir kennen unsere Kunden, deren Vorlieben, Familien, Kinder, Hobbys und auch Krankheiten aus einer langjährigen vertrauten Beziehung.
Das alles steckt hinter einer handwerklichen Wurst und der simplen Fragen: „Darf es etwas mehr sein?“
Wie stehen Sie zur frischer Wurst und dem Handwerk?

11 Reaktionen zu “Der Charakter einer handwerklichen Wurst und deren Hintergründe”

  1. Kulnarisch38

    Ich freue mich, wenn ich zu Schlachter gehe! Leider ist es teilweise für eine 4-köpfige Familie nicht mehr bezahlbar!

  2. Ludger

    Ich kann nicht für alle Kollegen sprechen, aber ich weiß, dass viele Supermärkte um eine vielfaches teurer ist. Die können auch nichts verschenken und „handeln“ ja nur mit der Ware, d.h. die Spanne ich noch kleiner. Die Lockangebote und die „Irreführung“ mit den 400g Schalen bei den Discountern erzeugen hier ein falsches Licht. Der Kilopreis steht oft in Schriftgröße „8,5“ auf der Verpackung. Aber nur dieser Preis ist eigentlich wichtig und richtig.

  3. Werner Deck • malerdeck

    Sehr schön dargestellt und beschrieben. Ein Metzger mit Herz. ♡♥♡

    Mit farbenfrohen und :-) freundlichen Grüßen aus Eggenstein-Leopoldshafen, Dein Opti-Maler-Partner,
    Werner Deck

  4. Heike Eberle

    Lieber Ludger,

    eine ganz wunderbare Darstellung für das Metzger-Handwerk mit Leidenschaft. So ist es eigentlich unverständlich, warum Metzger das Überleben so schwer gemacht wird.

    Wer so viel wie Ihr gibt, der müsste als Metzgerbetrieb ganz oben stehen.

    Ich wünsche Euch das von ganzem Herzen,

    mit ganz herzlichen Servicegrüßen aus dem Süden,
    Heike Eberle

  5. Ludger

    @Werner,
    danke für die farbenfrohen Grüße. Jeder der mit Leidenschaft seinen Beruf ausübt, wird auch erfolgreich sein. Das ist bei Dir ja sehr gut erkennbar!

    @Heike,
    ursprünglich wollte ich einen Text zu dem Foto schreiben (Produktumschreibung) – es wurde aber eine ganz andere Sache daraus. Danke für Deine Zeilen!

  6. Helmut Müller

    Lieber Herr Freese,
    einfach umwerfend mit welchem Sachverstand und mit welchem Engagement Sie die Attribute des Fleischerhandwerks vertreten. Ich von meiner Zunft bringe natürlich auch noch das Argument des GESCHMACKS! Aber, warum der Endverbraucher oft “Abwege geht” zum Handel geht, ist der Faktor Zeit und Bequemlichkeit. Wenn die Hausfrau Ihre Einkäufe im “Markt” (Aldi-Lidl-Rewe) tätigt, muß Sie zum Metzgere nochmals eine Anlaufstelle “anfahren”. Aus Bequemlichkeit, Zeitnot usw. nimmt sie dann halt das Notwendige an Ort und Stelle mit. Deshalb ist es wichtig, als Fleischer durch persönliche Attribute im Bedienungsverkauf sich von der Masse abzuheben. Es muss neben der Qualität und dem Geschmack auch noch ein paar andere Gründe geben, warum ich dann den zusätzlichen Weg zum Fleischerfachgeschäft in Kauf nehme. Wer dies in seiner Werbung immer wieder betont und wirkungsvoll vermittelt, wird garantiert auch in Zukunft Erfolg haben. Sie sind für mich ein “Stern” im hohen Norden, der leuchtet und auf sehr gutem Wege ist…!!!! Bleiben Sie dran!

  7. Heike Schauz

    Lieber Ludger,

    Metzger nimmt ja immer so als gegeben hin. Es gab sie immer, es gibt sie in jeder Stadt. Noch!

    Noch nie habe ich solche Zeilen über das Fleischerhandwerk gelesen – da steckt so viel Herzblut von Dir drin und ja – der Metzger ist auch ein Stück Heimat. Möge er es bleiben – überall und mögen Sie bei Dir oben erkennen, was sie an Dir und Deinem Team haben.

    Das ist wirklich Made in Germany! :-)

    Ganz herzliche Grüße aus Baden-Baden
    Heike

  8. Mike

    Lieber Ludger,
    Du hast durchaus Recht mit Deinem Statement. Jetzt kommt ein “aber”: Auch ich gehe gerne zum Metzger/Schlachter, nur muss ich leider feststellen, dass 1. nicht mehr alles handgemacht ist, sondern im Fleischergroßhandel billig (6,50 p. kg) eingekauft, und hinter der Theke teuer (18,90 p. kg) verkauft wird. Das trifft sicher nicht auf alle Schlachter zu, aber auf viele.
    2. Ist es mittlerweile unerträglich, wie viel Glutamat in der Wurst landet. Haben einige (leider sehr viele) Schlachter das Würzen verlernt? Oder stimmt das Ausgangsprodukt Fleisch nicht mehr? Ich flüchte mich dann manches Jahr in die Hausschlachtung, da weiß ich, wo das Schwein herkommt, was es zu fressen bekam und vor allem, was in der Wurst drin ist. Schlachter wie Dich gibt es leider viel zu selten Ludger, und Du bist viel zu weit weg, denn ich liebe das Aroma frisch geräucherter Würste!

    Herzliche Grüße

    Mike

  9. sivie

    Ist ja schön, wenn man noch eine Fleischer in der Nähe hat. Bei 2 Städten in erreichbarer Nähe mit 15.000 und 30.000 Einwohnern gibt es noch einen einzigen Fleischer mit Ladengeschäft. Da bleibt bestenfalls der Supermarkt-Bedientresen.

  10. BioCatering Fan Berlin

    Das es solche Konzepte noch gibt ist ein Segen; ich kaufe meine Wurst immernoch am allerliebsten direkt vom “Handwerker” der Region. Es lohnt dich geschmacklich IMMER. Gerade bei Fleisch bzw. Wurstwaren ist Massenware ein Tabu.
    Schöne Grüße,
    Oliver

  11. Essen kommen! » Blog Archiv » Mythos Leberwurst – das kommt wirklich rein

    [...] Für meine Wurst bin ich extra zu einem noch schlachtenden Kollegen gefahren, um mir dort besonders frisches Fleisch für die Wurst zu holen. Erinnern Sie sich noch: Bei den Hausschlachtungen früher, wurde immer als erstes die Leberwurst/Kochwurst gemacht, weil die Zutaten extrem frisch sein müssen. Diesen Geschmack kann man mit keinen Gewürzen bekommen! Ich habe mir also Köpfe, Schweinebacke und Schweineleber geben lassen. Diese habe ich über Nacht ganz schonend im Wasser gegart. Die Leber habe ich von den Gallengängen befreit und kurz gewässert. Von den Köpfen habe ich das magere Fleisch genommen und zusammen mit der Leber und den Backen ins betriebliche Verhältnis gemischt. Dazu wurden in Butter geschwenkte Zwiebeln gegeben und alles über den Fleischwolf grob zerkleinert. Abgeschmeckt habe ich die Kochwurst (sie gehört zur Gruppe der Kochwürste, weil alle Zutaten vorher gekocht werden) mit Kochsalz, Naturgewürzen und Naturkräutern – mehr nicht! Kein (!) Emulgator, Milcheiweiß oder andere Hilfsmittelchen. Lecker und ehrlich soll die Wurst sein. [...]

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