Was ist ein "Kilmerstuten?"

Foto: Der Weg ist das Ziel: Der Kilmerstuten auf dem Weg zum Kind.

Heute Abend kam eine große Gruppe mit einem „Kilmerstuten“ ins Lokal. Wissen Sie eigentlich, was ein „Kilmerstuten“ ist? Damit keiner unwissend stirbt, möchte ich kurz diese Tradition vorstellen.
 
Ein „Kilmerstuten“ wird nach der Geburt dem jungen Elternpaar gebracht. (spätestens bis es ein Jahr alt ist) Beim Bäcker lässt man sich einen „Kilmerstuten“ backen. Das ist ein Rosinenstuten der etwa 1,5 Meter lang ist und auf einer Holzleiter transportiert wird. Mit Zuckerguss wird der Name des Kindes auf dem Stuten geschrieben. An der Leiter werden diverse Sachen gebunden, wie Luftballon, Spielsachen, Butter, Kaffee, Pampas, etc.
Bei der Kleiderordnung haben die Männer und Frauen eine schwarze Hose und ein weißes Hemd bzw. Bluse an. Die Männer tragen dazu einen Zylinder mit einer rot-weiß karierten (für Mädchen) bzw. blau-weiß karierten (für Jungen) Schleife. Die farblichen Schleifen tragen die Frauen auch. Nun zieht die Gruppe durch das Dorf von Haus zu Haus oder kehrt in eine Gaststätte ein, um ihren Stuten vorzuzeigen und fragt ob dort das kleine Kind ist. Bei Gesang und kleinen Schnäpsen erreicht man am späten Abend endlich die Eltern des Kindes. Sie haben bereits den Tisch gedeckt und erwarten die angetrunkenen Gäste. Zum Rosienenstuten gibt es geräucherten Schinken (von FREESE :-) ) und Käse (und dazu gibt es schwarzen Kaffee).

Sie können sie vielleicht vorstellen, das solche Gebräuche sehr gepflegt werden. In Visbek werden jährlich etwa 80 Kinder geboren. Jedes Elternpaar bekommt einige „Kilmerstuten“ gebracht. (Arbeitskollegen, Sportverein, Clique, Nachbarn, Freunde, Verein, etc.) Daher laufen in Visbek jährlich geschätzte 350 Gruppen mit einem „riesigen Rosinenbrot“.
Die heutige Gruppe muss noch weiter zu der kleinen “Tabea”. Die Eltern werden sehnsüchtig warten, denn die Gruppe war schon „sehr lustig“ und der Weg ist noch lang.
Es gibt auch schon die Sitte des „Oma und Opa Kilmerstutens“. Das ist eine neue Dimension…
„Esssän komän! – hicks!“

18 Reaktionen zu “Was ist ein "Kilmerstuten?"”

  1. Manuel

    Wie es nun heißen mag… Maibaum, Schützenfest, Bogen bauen… Kilmerstuten.
    Einfach nur Umschreibungen für “einen heben dürfen” :) )

    (- ich komm aus dem Norden, ich darf das durch den Kakao ziehen! -)

  2. Rainer Prüm

    Hallo Ludger,
    interessanter Brauch. Klingt lustig und gesellig. Na dann Prost! Bei uns vollkommen unbekannt. Aber wozu hat man Ludger`s Blog? ;-)
    Gruß Rainer

  3. Doc Sarah

    na, ich glaub, ihr braucht wohl ärztliche hilfe..
    und ne gute ernährungsberarterin ( susanne!) im vorfeld….
    drollige bräuche… hier im rheinland wird ja bloß zu karneval legalisiert gesoffen… ;-)
    wieso klingt “kilmerstuten” so bayrisch für mein ohr ?! ;-)

  4. Michael (Baudax)

    @Ludger, wir im Norden lassen uns doch den Spass nicht nehmen!
    Spass muß sein, sonst geht doch keiner mit zur Beerdigung :)

  5. Ludger

    Grundsätzlich ist es ja schön, dass die Geburt eines Kindes gefeiert wird. Es geht sicherlich auch ohne Alkohol…

    Auch die ganzen “Gemeinschafts-Grünkohlessen” sind – wie Manuel richtig darstellt – nur ein Vorwand um einen heben zu können.

    Das alles wird hier aber Lebensfreude ausgelegt und entsprechend ist die Beteiligung. (Brauchtum, Geselligkeit, Spaß, Gemeinschaft…)

  6. Mike Seeger

    Gegen den Brauch ist nichts einzuwenden. Aber Rosinenbrot mit Schinken und Käse???

  7. Ludger

    @Mike,
    Hochgenuss pur! Das schmeckt einmalig gut. Es gibt auf großen Festen (z.B. Stoppelmarkt) sogar einen Marktstand, der Kilmerstuten mit Schinken anbietet. 3-lagig Schinken, dazu das Rosinenbrot…
    Schon mal probiert?

  8. Prof. Wurst

    Wer soll denn das essen? Wenn ein Elternpaar mehrere 1,5m lange solche Stuten bekommt, dann isst man ja Ewigkeiten da dran, oder dürfen die auch verschenkt werden?
    Besser wäre eine echte Stute. Da könnt man ja viele Salami draus machen, und die sind ja bekannteweise sehr lange haltbar… Dann hätte vielleicht auch noch das Neugeborene was davon… :-)

    Beste Grüße, Prof. Wurst

  9. Michael (Baudax)

    @Mike Seeger,
    empfehle mal einen Besuch bei unseren direkten Nachbarn hier im Norden, den Dänen. Dort werden zu Geschäftsbesprechungen sehr häufig Käsebrötchen mit Johannisbeergelee gereicht. Erst dachte ich, ich krieg das Zeugs nicht runter, aber das war ein Vorurteil. Das schmeckt tatsächlich gut. Man wundert sich, welche ungewöhnlichen Kombinationen es gibt. Kürzlich war ich eingeladen, da gab es Räucherlachs auf Käse – total lecker.

  10. Ludger

    @Prof.Wurst,
    das Brot wird am gleichen Abend von allen Gästen und dem Brautpaar gegessen. Der Kilmerstuten wird der Gesellschaftsgröße angepaßt. Es sind oft 15 – 25 Personen und es bleibt nicht viel übrig.

  11. Mike Seeger

    @ Michael: Ich war vor langer Zeit mal in Norwegen. Dort gab es einen Karamelkäse. Der war alles andere als lecker.

    @ Ludger: dreilagig Schinken ist OK. Da kann ich ja dann immer noch nach dem Motto handeln: In der Not schmeckt der Schinken auch ohne Brot! ;-)

  12. Torky

    Den Karamelkäse kriegt man auch hier im Feinkostladen :)
    Tipp: auf Schwarzbrot oder Pumpernickel genießen!

  13. Schwangerschaft

    Schade, dass es solche Bräuche bei uns nicht mehr gibt. Das ist wirklich richtig schön, wenn ich mir vorstelle, einen anderthalb Meter langen Stuten nach der Geburt zu erhalten, um noch einmal richtig zu feiern. Wirklich schade, dass ich mit so einem Brauch nie in Berührung gekommen bin-ist es denn nur regional? Denn ich habe vorher auch nie etwas davon gehört.

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  15. norbertgrieshop

    Ludger wie du die Kilmerstutenstory geschildert hast ist großartig! Werde die Story im meinen Geschichtenalbum aufnehmen.DANKE!

  16. norbertgrieshop

    Ãœberings auf dem Foto ist Stuten Andi

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  18. Essen kommen! » Blog Archiv » Demographische Entwicklung hängt am Kilmerstuten

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